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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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erklärt. Und Mo hatte Weisung, sich keinem der Fenster im Obergeschoss zu nähern. Mit zwei Gesten gebot Adamsberg den beiden jungen Leuten Schweigen und bat sie, den Raum zu verlassen.
    »Nein, Herr Minister, er hat keine Chance, uns zu entkommen. Jawohl, alle Gendarmerien sind seit gestern Abend 21 Uhr 40 verständigt. Ja, sämtliche Grenzposten auch. Ich glaube nicht, dass das was bringen würde, Herr Minister, Lieutenant Mercadet trifft keine Schuld.«
    »Da werden und da müssen Köpfe rollen, Kommissar Adamsberg, das dürfte Ihnen wohl klar sein. Die Familie Clermont-Brasseur ist außer sich über die Nachlässigkeit Ihrer Dienststelle. Und ich ebenso, Kommissar. Ich habe mir sagen lassen, dass Sie einen Kranken in Ihrer Brigade beschäftigen? Einer Brigade, bei der man davon ausgeht, dass sie ein Exzellenzzentrum ist?«
    »Einen Kranken, Herr Minister?«
    »Einen Schlafsüchtigen. Diesen unfähigen Menschen, der sich seine Waffe hat entwenden lassen. Einzuschlafen während eines Gewahrsams, halten Sie das für normal? Es ist eine Verfehlung, Kommissar Adamsberg, eine kolossale Verfehlung, anders kann ich das nicht nennen.«
    »Da hat man Sie schlecht unterrichtet, Herr Minister. Lieutenant Mercadet ist einer der belastbarsten Männer in meiner Truppe. Er hatte in der vorherigen Nacht nur zwei Stunden geschlafen und machte bereits Überstunden. Es herrschten annähernd 34 Grad im Vernehmungsraum.«
    »Wer bewachte den Tatverdächtigen außer ihm?«
    »Brigadier Estalère.«
    »Ein fähiger Mitarbeiter?«
    »Ein ausgezeichneter.«
    »Warum hat er dann den Raum verlassen? Darüber steht kein Wort im Bericht.«
    »Um Erfrischungen holen zu gehen.«
    »Fehler, riesiger Fehler, da werden Köpfe rollen. Dem tatverdächtigen Mohamed Issam Benatmane Erfrischungen zu reichen ist mit Sicherheit nicht die beste Methode, ihn zum Reden zu bringen.«
    »Die Erfrischungen waren für die Mitarbeiter bestimmt, Herr Minister.«
    »Da hätte man einen Kollegen rufen müssen. Fehler, kapitaler Fehler. Man bleibt nicht allein mit einem Verdächtigen. Das gilt vor allem für Sie, Kommissar, der Sie ihn ohne einen außerdem noch anwesenden Mitarbeiter in Ihr Büro geholt haben. Und der Sie sich als unfähig erwiesen haben, einen zwanzigjährigen Ganoven zu entwaffnen. Unermesslicher Fehler.«
    »Exakt, Herr Minister.«
    Mit Kaffeetropfen zeichnete Adamsberg zerstreut verschlungene Formen auf das Plastiktischtuch und legte Pfade zwischen Hellebauds Exkrementen an. Er dachte einen Augenblick,wie hartnäckig sich doch Vogelschiss jedem Reinigungsversuch widersetzte, ein chemisches Geheimnis, auf das auch Danglard keine Antwort wüsste, denn in den Naturwissenschaften war er schlecht.
    »Christian Clermont-Brasseur hat Ihre sofortige Entlassung gefordert sowie die Ihrer zwei inkompetenten Mitarbeiter, und ich wäre versucht, dem nachzukommen. Gleichwohl sind wir hier der Ansicht, dass wir Sie noch brauchen. Acht Tage, Adamsberg, nicht einen Tag mehr.«
    Adamsberg versammelte alle seine Mitarbeiter im großen Konferenzsaal, genannt Kapitelsaal, nach der gelehrten Bezeichnung, die Danglard für ihn gefunden hatte. Bevor er das Haus verließ, hatte er seine Verletzung am Kinn mit der rauen Seite eines Abwaschschwamms aufgefrischt, so dass seine Haut jetzt eine Reihe roter Schrammen aufwies. Sehr gut, hatte Zerk gemeint und den Bluterguss mit einer grellen Jodlösung noch etwas stärker hervorgehoben.
    Es war ihm unangenehm, seine Leute auf die vergebliche Verfolgung von Mo zu schicken, während er doch bei ihm zu Hause am Tisch saß, aber die Umstände ließen ihm keine Wahl. Er verteilte die Aufgaben, und jeder studierte schweigend seinen Routenplan. Sein Blick glitt über die Gesichter seiner neunzehn anwesenden Mitarbeiter, die äußerst perplex waren angesichts der neuen Situation. Allein Retancourt schien sich insgeheim zu amüsieren, was ihn ein bisschen beunruhigte. Mercadets bestürzte Miene ließ das Kribbeln in seinem Nacken wieder aufflackern. Er hatte sich diese Elektrizitätskugel durch den Kontakt mit Capitaine Émeri geholt, er sollte sie ihm früher oder später zurückgeben.
    »Acht Tage?«, wiederholte Brigadier Lamarre. »Was soll das? Wenn er sich in einem Wald versteckt hält, brauchen wir womöglich Wochen, um ihn zu lokalisieren.«
    »Acht Tage für mich«, präzisierte Adamsberg, ohne das gleichfalls heikle Los von Mercadet und Estalère zu erwähnen.»Wenn ich scheitere, wird wahrscheinlich Commandant Danglard an

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