Die Nacht Hat Viele Augen -1-
immer noch Angst, etwas Falsches zu tun. Sie ergriff seine Hände, hob sie hoch und drückte sie auf ihre Brüste.
»Jetzt kannst du mich anfassen«, sagte sie mit einem schüchternen Lächeln. »Ich habe mich beruhigt.«
Er berührte sie so vorsichtig, als wäre sie aus hauchdünnem Glas. Er konnte es sich nicht leisten, es wieder zu versauen. Diesmal musste Raine die Führung übernehmen.
Sie legte sich neben ihn und zog ihn auf sich. »Lass uns wieder zurückgehen in unser tropisches Paradies, Seth«, flüsterte sie. Er verharrte über ihr, sodass ihre Körper sich sanft berührten. Er überließ ihr alles. Sie war diejenige, die sich ihm öffnete und sich für ihn zurechtlegte. Sie war es, die zwischen sie beide griff und sein Glied zu ihrer Spalte führte. Er wartete sogar, bis sie seinen Hintern umfasste und ihn in sich hineinzog, bevor er zustieß.
Sie schlangen die Arme umeinander. Zuerst taten sie es langsam und vorsichtig und zärtlich, doch dann wurden sie von ihrer Lust überschwemmt wie von einer Springflut, und gemeinsam stürzten sie sich in die Tiefe, Körper und Seele vereint. Endlich verstand er die Nutzlosigkeit dessen, sich die Vereinigung, die er so sehr begehrte, zu erkämpfen.
Lange lagen sie eng umschlungen da, bis Raine begann, sich zu befreien. Sie setzte sich auf und hockte sich auf die Bettkante. »Am Horizont taucht ein Schiff auf«, sagte sie.
»Mh?«
Sie sah ihn über ihre Schulter hinweg an. »Eines Morgens lieben sich die Piratenkönigin und ihr Seefahrer am Strand. Sie blicken auf und entdecken ein Schiff unter vollen Segeln am Horizont. Ihre Idylle ist zerstört. Man kann nicht für immer vor der Welt davonlaufen. Früher oder später holt sie einen ein.«
Er setzte sich auf und fröstelte, weil er plötzlich das Gefühl hatte, dass ihm etwas äußerst Wertvolles entglitt.
Sie stand auf. »Ich muss noch einmal duschen.«
»Ich dusche mit dir.« Er griff nach ihr.
Sie wich ihm aus. »Nein, das wirst du nicht.«
Schweigend machten sie sich fertig. Sie suchte sich ein paar Sachen aus dem Schrank, die ihr natürlich wunderbar standen. Sie sah immer toll aus.
Dann waren sie angezogen und bereit. Sie konnten es nicht länger vor sich herschieben. Seth holte eine Schachtel aus seiner Tasche und fischte den Sender heraus. Sie nahm ihn und drehte ihn zwischen den Fingern. Sie wollte etwas sagen, aber er legte seinen Finger auf ihre Lippen und schüttelte den Kopf.
Raines Lippen wurden schmal und bebten. Sie schob den winzigen Sender in ihre Hosentasche.
Er schlüpfte in seine Jacke und dachte plötzlich an seinen Traum.
Der Kreis wird enger. Er wusste nicht, was es bedeutete, aber er spürte, dass es geschah. Wie Hände, die sich um seinen Hals schlossen.
20
Raine stocherte in ihrem Frühstück herum, denn sie war sich der Kleidung, die sie am Körper trug, nur allzu bewusst. Ein blauer Kaschmirpullover von Armani. Stiefel von Prada. Es erschien ihr undankbar, sich zu beschweren, wenn die Sachen doch so schön waren und ihr viel besser passten als ihre eigenen, aber trotzdem machten sie sie nervös.
Seth ließ sich ihr gegenüber nieder und stellte seinen dritten Teller, den er sich vom Frühstücksbüfett geholt hatte, auf den Tisch. Er war beladen mit einem Meeresfrüchte-Omelett, Bageln mit Frischkäse und geräuchertem Lachs, Bratkartoffeln, Würstchen und Gebäck. Seth griff nach der Gabel und deutete mit dem Kopf auf ihren Teller.
»Iss, Raine«, sagte er leise. »Sich mit diesem Volk hier abzugeben, wird die Kalorien schnell wieder verbrennen.«
»Du bist derjenige, der meine Kalorien schnell wieder verbrennt«, murmelte sie.
Seth blickte über ihre Schulter. Sie drehte sich um und entdeckte Victor, der dem Museumskurator, mit dem sie sich beim Abendessen unterhalten hatte, die Hand schüttelte. Sergio. Sie winkte und lächelte ihm zu, und er winkte zurück.
Victor holte sich eine Tasse Kaffee und kam strahlend zu ihnen herüber. »Guten Morgen, meine Liebe. Wie wunderbar dir diese Farbe steht. Ich nehme an, ihr beide habt gut geschlafen?«
Raine errötete, ohne etwas dagegen tun zu können.
»Nicht schlecht zumindest.« Seth schob sich ein Stück Wurst in den Mund.
»Und was haben Sie heute vor, Mr Mackey?«, erkundigte sich Victor.
»Raine und ich werden zurück nach Seattle fahren.«
Victor nippte an seinem Kaffee, während er Seth über den Rand der Tasse hinweg ansah. »Eigentlich wollte ich heute Vormittag selbst ein wenig Zeit mit Raine
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