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Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Titel: Die Nacht Hat Viele Augen -1- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Mckenna
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Brust, bis er seine Lider mit den dichten schwarzen Wimpern hob. Gnadenlos stupste sie ihn wieder an. Schlafen konnte er später, sobald er sein Versprechen erfüllt hatte.
    »Rede«, forderte sie ihn knapp auf.
    Er stöhnte und streckte sich. »Was willst du wissen?«
    Raine setzte sich im Schneidersitz hin und zog eine der Wolldecken um ihre Schultern. »Fang einfach am Anfang an. Und lass dir bitte nicht alles aus der Nase ziehen.«
    Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte zur Decke.
    »Ich hatte einen Bruder«, sagte er schließlich. Seine Stimme war hart und ausdruckslos.
    Sie nickte. »Und?«
    »Eigentlich einen Halbbruder. Ich habe ihn praktisch großgezogen. Er war sechs Jahre jünger als ich. Sein Name war Jesse.«
    Sie tätschelte seine Brust und wartete darauf, dass er fortfuhr.
    Er starrte weiter zur Decke und schüttelte den Kopf. »Jesse ist irgendwann erwachsen geworden, und dann ist er zur Polizei gegangen. Das war wirklich ein Witz, wenn man bedenkt, wie wir aufgewachsen sind. Jesse war ein Romantiker. Er wollte die Welt retten. Kleine Katzen in Sicherheit bringen, die auf Bäumen festsaßen, Babys aus brennenden Häusern holen … all solche Sachen. Ich persönlich glaube, er hat zu viele Polizeiserien im Fernsehen geguckt.«
    Sie spürte bereits, was kommen würde. Und sie bereitete sich innerlich darauf vor. »Was ist mit Jesse passiert, Seth?«, fragte sie.
    Er schloss die Augen. »Er hat verdeckt ermittelt, bei deinem Onkel.«
    »Oh nein«, flüsterte sie.
    »Oh doch. Victor war es inzwischen zu langweilig geworden, nur bei legalen Geschäften erfolgreich zu sein. In den vergangenen Jahren hat er wieder angefangen, in gefährlicheren Gewässern zu fischen. Hauptsächlich gestohlene Waffen und Antiquitäten, denke ich. Aber was Jesse und seine Partner am interessantesten fanden, war einer von Victors Kunden – Kurt Novak. Auch ein Sammler von gestohlenen Einzelstücken. Novak ist ein knallharter Typ. Gegen ihn ist Victor die reinste Schmusekatze. Er hat mehr Geld als der liebe Gott und absolut kein Gewissen. Sein Daddy ist ein wichtiger Mann in der osteuropäischen Mafia. Novak war derjenige, hinter dem sie eigentlich her waren. Fast hätten sie ihn erwischt, aber irgendjemand hat Lazar einen Tipp gegeben. Ich weiß nicht, wer es war. Noch nicht! Und dabei hat es dann Jesse erwischt. Novak hat ihn getötet. Ganz langsam.«
    »Oh Seth«, flüsterte sie. Sie legte eine Hand auf seine Brust, aber er war mit seinen Gedanken viel zu weit weg, um es überhaupt zu bemerken.
    »Ich hätte dort sein müssen, um ihm zu helfen«, sagte er. »Vielleicht hätte ich das Ruder noch herumreißen können. Aber ich bin zu spät gekommen.«
    Sie wollte ihn beruhigen und trösten, aber sie wusste, dass hier mit Worten nichts auszurichten war. Sie presste die Lippen aufeinander und wartete.
    Minuten vergingen. Er öffnete die Augen und sah sie an. »Das ist die Geschichte. Ich habe Monate damit verbracht, Victor zu beschatten. Habe darauf gewartet, dass er sich mit Novak in Verbindung setzt. Und sobald er das tut, werde ich diese Schweine zur Strecke bringen. Lazar, Novak und den Verräter. Dafür hab ich gelebt. Nur dafür. Ich habe ganz sicher nicht geahnt … dass mir so etwas wie mit dir passieren würde.«
    Sie lehnte sich gegen seine Brust und ließ ihr Haar auf ihn herabfallen. »Dann haben du und ich ja mehr gemeinsam, als ich gedacht hätte.«
    Er spielte mit einer Locke ihres Haars. »Vermutlich ja«, sagte er.
    Sie streckte sich neben ihm aus und stützte sich auf einen Ellbogen. »Erzähl mir von Jesse«, bat sie sanft.
    Verblüfft sah er sie an. »Was denn?«
    »Wie ist er gewesen?«
    Einen Moment lang war seine Miene finster, dann zuckte er kurz die Schultern. »Er war verrückt«, murmelte er. »Ein Clown, unglaublich intelligent. Er hatte diese komischen grünen Augen, die irgendwie zu groß geraten waren. Riesige Füße. Haare wie ein wahnsinniger Wissenschaftler. Wenn er zu viel zu tun hatte, um sie schneiden zu lassen, verknoteten sie sich wie Dreadlocks. Und er war ein weichherziger Idiot. Immer verliebt, immer bereit, auch sein letztes Hemd zu geben. Er hat nie dazugelernt. Nie.«
    Sie lächelte über das Bild, das er von seinem Bruder zeichnete. »Erzähl weiter.«
    Sein Blick wirkte plötzlich distanziert, und er verstummte. Gerade wollte sie fragen, was los sei, als er stockend fortfuhr. »Einmal an Halloween … er muss ungefähr acht gewesen sein, denke ich. Mitch, mein

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