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Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Titel: Die Nacht Hat Viele Augen -1- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Mckenna
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deutete auf das Foto, das sie immer noch umklammert hielt. »Ich meinte das Bild. Das kleine Mädchen ist meine Nichte. Katya.«
    »Oh.« Raine stellte das Foto zurück auf das Bord. Eigentlich wäre es nun angebracht gewesen, sich nach seiner Nichte zu erkundigen. Sie wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf das Bild lenken, aber jede Sekunde, die verging, ohne dass sie etwas sagte, lenkte mehr Aufmerksamkeit darauf, als jeder Kommentar es hätte tun können. »Sie ist … ein hübsches kleines Mädchen«, bemerkte Raine schließlich lahm. »Wo ist sie denn jetzt?«
    Victor nahm sich das Foto und sah es an. »Ich fürchte, das weiß ich nicht. Ich habe vor vielen Jahren den Kontakt zu ihr verloren.«
    »Oh, das tut mir leid.«
    Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der Sonnenbrille, die auf dem Teppich lag. »Ich habe sie als Erinnerung behalten. Es ist dieselbe Brille, die sie auf dem Foto trägt.«
    Raine hob sie auf und legte sie zurück auf ihren Platz. »Äh … entschuldigen Sie bitte«, stammelte sie. »Ich wollte nicht …«
    »Machen Sie sich keine Gedanken darüber.« Er schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. »Da wir aber gerade über Brillen sprechen, ich sehe, dass Sie immer noch Ihre eigene tragen.«
    Auf diese Situation hatte sie sich vorbereitet. »Ich fürchte, ich kann nicht gut genug sehen, um meine Arbeit ohne sie zu machen.«
    »Wie schade«, murmelte er.
    Sie rang sich ein professionelles Lächeln ab. »Also, wollen wir dann beginnen? Ich muss mich beeilen, wenn Sie möchten, dass die Briefe noch heute Abend per Kurier rausgehen, daher …«
    »Wie läuft denn Ihre heiße Romanze mit unserem geheimnisvollen Sicherheitsberater?«
    Sie presste ihre bebenden Lippen zusammen. »Ich dachte, ich hätte mich gestern Abend klar genug ausgedrückt. Ich habe nichts dazu zu sagen …«
    »Ach, kommen Sie schon. Gestern Abend haben Sie mir noch gesagt, Sie wollten ihn nie wieder sehen. Er muss Sie ziemlich stark beeindruckt haben.«
    »Ich bin nicht daran interessiert, über Seth Mackey zu sprechen. Jetzt nicht und auch nicht irgendwann sonst.«
    »Er benutzt Sie auch, wissen Sie«, erklärte Victor. »Oder wenn er es noch nicht tut, wird sich das sehr bald ändern. So ist nun mal diese Welt. Hat er diese eiserne Loyalität von Ihnen wirklich verdient, nur weil er in der Lage ist, Ihnen zu einem Orgasmus zu verhelfen?«
    Er tat es schon wieder; mit seiner leisen Stimme und seinen Andeutungen verzerrte er die Welt um sich herum wie ein schwarzes Loch. Sie fing bereits an, an sich selbst zu zweifeln. »Was Sie da fragen, ist absolut unangemessen«, entgegnete sie. »Dieses ganze Gespräch ist unangemessen.«
    Victors Lachen war wunderschön, tief und voll. Ihre eigene angespannte und nervöse Stimme klang dagegen halbherzig und zimperlich. Sie fühlte sich plötzlich langweilig und humorlos. Jeder, der nicht allem zustimmte, was er sagte, war ein Idiot.
    Er zeigte auf die Fotos. »Sehen Sie hier, meine Liebe.« Der leichte, russische Akzent in seiner Stimme trat plötzlich deutlicher hervor. »Sehen Sie das? Meine Mutter. Und dieser Junge hier ist mein kleiner Bruder, Peter. Vor fast vierzig Jahren bin ich vor den Sowjets davongelaufen. Ich habe gearbeitet und Beziehungen geknüpft, Geld verdient für das Schmiergeld und die Papiere, damit ich meine Mutter und meinen Bruder hierherholen konnte. Ich habe dieses Geschäft für sie aufgebaut. Um das zu schaffen, musste ich viele Kompromisse eingehen. Ich habe sehr viele unangemessene Dinge getan. Das muss man leider, denn diese Welt ist nicht perfekt. Man gewöhnt sich daran – wenn man das Spiel mitspielen will. Und Sie wollen es doch auch mitspielen, oder?«
    Sie schluckte. »Nach meinen eigenen Regeln.«
    Victor schüttelte den Kopf. »Sie befinden sich nicht in der Position, in der Sie Regeln vorgeben können, kleines Mädchen. Der erste Schritt auf dem Weg zur Macht besteht darin, die Realität zu akzeptieren. Sehen Sie der Wahrheit ins Gesicht, und Sie werden den Weg, den Sie gehen müssen, klarer erkennen.«
    Sie biss die Zähne zusammen und widerstand der Anziehungskraft seines Charismas. »Wovon, um Himmels willen, reden Sie, Mr Lazar?«
    Ihre Stimme war klar und scharf. Sie brach den Zauber.
    Er blinzelte, und ein anerkennendes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Ah. Die Stimme der Wahrheit. Ich rede zu viel, nicht wahr?«
    Darauf würde sie sich nicht einlassen. Nicht mal aus der Ferne. Sie hielt den Mund und konzentrierte sich auf ihre eigene

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