Die Nacht Hat Viele Augen -1-
Blick auf Raines wundervolle Titten werfen, auf ihre weichen rosafarbenen Lippen, ihre glühenden Augen und annehmen, dass er bis über beide Ohren in sie verliebt war. Wer konnte ihm das vorwerfen?
Ihm war geradezu schwindlig, und er fühlte sich aufgedreht, als er barfuß durch ihr Haus tappte. Er zog die kleine Tasche mit seiner technischen Ausrüstung vom obersten Bord des Garderobenschranks, wo er sie verstaut hatte, hielt kurz inne und lauschte, ob sich oben irgendetwas bewegte. Nichts.
Er öffnete die Tasche und wühlte in dem Haufen verschiedener Peilsender, die sich durch Größe und Reichweite unterschieden. Einen schob er unauffällig in ein unbenutztes Fach ihrer Brieftasche. Einen anderen baute er in ihren Kugelschreiber ein. Mit einem winzigen Messer schnitt er den Saum ihrer Handtasche auf und steckte einen weiteren in das Loch. Dann nahm er das Nähgarn aus seiner Tasche, nähte das Loch geschickt zu und machte das Gleiche mit dem Saum ihres Regenmantels.
Zusammen mit dem Handy würde das fürs Erste reichen. Er konnte später immer noch ein paar kreativere Ideen entwickeln, wenn er Zeit und Ruhe hatte. Er zuckte zusammen, als er sein Bild im Spiegel der Diele entdeckte. Wie ein offizieller Freund sah er nun wirklich nicht aus. Das Haar zerzaust, Bartstoppeln im Gesicht, die Brust nackt. Er roch nach Schweiß und Sex. Eine seiner Exfreundinnen hatte ihm mal gesagt, dass er wirklich gut aussehen könne, wenn es ihm gelingen würde, weniger erschreckend zu wirken. Als er damals wissen wollte, was zum Teufel sie damit meinte, war sie zurückgezuckt und hatte ihre gedankenlosen Worte bedauert. Irgendwann hatte sie dann gesagt, sie glaube, es läge an seinen Augen.
Die Beziehung hatte nicht mehr lange gedauert. Jetzt, wo er darüber nachdachte, war es sogar wahrscheinlich ihre letzte Nacht gewesen. Er betrachtete seine Augen im Spiegel. Sie sahen eigentlich genauso aus wie immer, vielleicht ein bisschen blutunterlaufen, mit dunklen Schatten darunter. Raine hatte sich Gott sei Dank bisher noch nicht darüber beschwert.
Er ging in die Küche und machte sich daran, zwei dicke Sandwiches herzurichten; er tat es mit der gleichen methodischen Aufmerksamkeit für jedes Detail, die ihn zu einem derart guten Dieb, Spion und Technikfanatiker gemacht hatte.
Verdammte Scheiße. Offizieller Freund! Er hatte noch nie freiwillig nach diesem Titel gefragt. Er war immer in brutaler Weise ehrlich zu seinen Geliebten gewesen, hatte ihnen gesagt, dass er an etwas Festem nicht interessiert war. Er mochte Sex, aber der Rest war nichts für ihn. Jesse hatte ihn deswegen geneckt, weil er meinte, das sei ein echtes Problem; trotzdem hatten sie am Ende immer darüber gelacht. Jesse hatte geglaubt, Seths Schwierigkeiten, einer Frau zu vertrauen und sich an sie zu binden, hätte etwas mit seiner Beziehung zu seiner Mutter zu tun … bla, bla, bla. Jesse hatte eine Weile ziemlich viel von diesem Psychoscheiß erzählt. Manche Jungs, die einfach mehr graue Zellen besaßen, als ihnen guttat, lernten solchen Blödsinn im College. Normalerweise war es Seth gelungen, Jesse zum Schweigen zu bringen.
Er wappnete sich gegen den schmerzhaften Stich, den er jedes Mal verspürte, wenn er an Jesse dachte. Aber er kam nicht. Das Gefühl war zwar da, aber irgendwie anders. Mehr wie eine Hand, die sein Herz niederdrückte. Ein heißer, tiefer Schmerz und fast … erträglich.
Er hatte mit ziemlich vielen Frauen das Vergnügen gehabt, mit einigen von ihnen sogar sehr intensiv, aber sobald sie ihn zur Silberhochzeit ihrer Eltern oder ähnlichen Festivitäten eingeladen hatten, war er schleunigst verschwunden. Womit er ihnen eigentlich einen Gefallen tat, da sowieso alles irgendwann den Bach runterging. Denn es kam völlig unvermeidlich irgendwann der Tag, an dem er den Mund aufmachte und einfach herausließ, was er dachte. Und rumms! Geschrei, Tränen und dramatische Szenen, die damit endeten, dass sie ihn anschrien: Fahr zur Hölle, du grober, unsensibler Bastard . Türen knallten, Reifen quietschten, und er stand da mit seinem Schwanz in der Hand und musste wieder von vorn anfangen. Echter Mist.
Das Blöde war, dass er eigentlich nie genau wusste, warum sie so wütend geworden waren. Ihm war es jedes Mal ein Rätsel.
Gott, was war er für ein Idiot. Ein wildes Tier, das davon träumte, domestiziert zu werden. Er stand vor der Kühlschranktür, Senf tropfte vom Messer auf den Boden. Er war entsetzt, als er begriff, dass er alles sagen und
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