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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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war?«
    »Er war immer sehr nervös«, sagte sie, »seine Geschäfte nahmen ihn sehr in Anspruch. — Ich glaube nicht, daß er vor etwas Furcht hatte; jedenfalls ließ er es mich nicht merken.«
    »Wir müßten irgend etwas finden«, sagte ich, »etwas, das uns weiterbringt. Natürlich wird die Polizei auch nachforschen; aber sie wird das nicht sehr intensiv tun. Sie wird sich damit begnügen, mich zu suchen. Mein Motiv scheint ihnen klar und einfach zu sein.«
    »Ihr Motiv? Sie mochten Alexandre nicht?«
    »Bei Gott, nein«, sagte ich, »ich haßte ihn, wie man nur einen Menschen hassen kann. Er war es, der mich ins Zuchthaus brachte für etwas, was ich nicht getan habe. Weiß Gott, wie es wirklich war — aber ich habe meinen Vater nicht erschossen.«
    »Und nun nimmt die Polizei an — « fragte sie und brach ab.
    »Natürlich, ich bin ein wegen Totschlags Verurteilter. Ich wurde entlassen, und kurz danach wird mein Bruder erschossen. — Ist doch ein klarer Fall, nicht?«
    Sie saß eine Weile nachdenklich da. Ich beobachtete sie genau und sah, daß sich ihre Stirn wieder in Falten zusammengezogen hatte; ihr breiter, schöner Mund war hart geschlossen.
    Plötzlich sagte sie:
    »Nein, das kann es nicht sein.«
    Sie blickte mich voll an und fuhr fort: »Sie sollten alles sagen, Monsieur Bouchard. Wenn Sie mich schon in Ihr Vertrauen ziehen, dann sollten Sie es ganz tun. Die Polizei muß mehr wissen.«
    »Ja«, sagte ich und überlegte, was ich ihr sagen konnte und was ich besser verschwieg, »ja, sie weiß auch mehr. Ich wollte gestern abend mit Alexandre sprechen, wollte ihm sagen, daß ich entlassen worden bin — vorzeitig, wissen Sie — , wegen guter Führung. Ich wollte ihm sagen, er solle mir helfen, irgendwo im Ausland eine neue Existenz zu beginnen. Das alles wollte ich ihm sagen. Ich war draußen in Issy. Und ich fand ihn. — Er war erschossen worden, und sein Wagen stand über ihm. Es sah aus wie ein Unfall. Aber ich sah sofort, daß man ihn erschossen hatte. Als ich gehen wollte, fand ich die Pistole. Und dann kam ich später in eine Razzia; sie fanden die Pistole bei mir. Das ist alles.«
    Sie nagte an ihrer Unterlippe und zündete sich eine Zigarette an. Ihre Hand zitterte ein wenig; sie war sehr beherrscht.
    »So war das also«, sagte sie leise.
    »Ja — so war das. Verstehen Sie nun, weshalb ich den Mörder finden muß? Ich muß den Mann haben, der ihn erschossen hat. Erst wenn ich ihn der Polizei übergeben kann, bin ich ein freier Mensch.«
    »Ich fürchte«, sagte sie, »ich werde Ihnen wenig helfen können. Ich weiß zu wenig.«
    »Oh, das ist nicht schlimm. Sie haben mir schon jetzt genug geholfen. Ich habe das Gefühl, nicht mehr ganz allein zu sein, und das ist schon sehr viel. Und Sie glauben mir — das ist noch mehr. Ich war sehr verzweifelt, als ich zu Ihnen kam.«
    Sie lächelte ein ganz klein wenig; es war eigentlich nicht einmal ein Lächeln, es war ein warmer, trauriger Blick, den sie mir schenkte.
    »Ja, Monsieur Bouchard, ich glaube Ihnen.«
    Ich stand auf.
    »Es ist besser, wenn ich jetzt verschwinde. Und wenn die Kriminalpolizei wirklich kommen sollte — Sie müssen sich die Ausweise genau ansehen — , dann sagen Sie lieber nichts von meinem Besuch, und auch nichts von Francois Gravelle. Was der wollte, werde ich schon herausbringen. — Vielen Dank! Ich werde Sie wieder anrufen.«
    Ich ging, weder langsam noch schnell, durch den Garten, und auf der Straße rief er mich an:
    »Ach, welch ein Zufall! Heute scheinen sich unsere Wege aber auch dauernd zu kreuzen!«
    Es war der kleine, alte Herr.
    »Es scheint wirklich«, sagte ich und schaute ihn scharf an, »aber es scheint nur so, mein Freund. Ich rate Ihnen dringend, zu verduften; aber so rasch wie möglich. Und sagen Sie Ihrem Auftraggeber, daß er mich jederzeit sprechen kann, wenn er das will. Ihr wißt ja, wo ich wohne. Und wenn ich Sie nochmals erwische, dann kümmert mich Ihr Alter einen Dreck; damit Sie klar sehen.«
    Er wandte sich wortlos ab. Ich ließ ihn laufen und ging in entgegengesetzter Richtung weiter, hinauf zum Etoile.
    Ich wandte mich nach links und ging die Rue Pierre Charon hinab zur Seine. Was mochte Francois bei Germaine gesucht haben?
    Papiere, natürlich Papiere! Alexandre hatte schmutzige Geschäfte gemacht. Mit Pierre, mit Francois und mit noch einigen anderen. Und nun durfte die Polizei die Papiere nicht finden, das war klar. Francois hatte die Schlüssel zu Alexandres Haus. Trotzdem würde er es

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