Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
Geld in den Rachen zu stopfen oder sich irgendeine Hure von der Straße zu schnappen. Rooke war ein gemeiner Saukerl – und das alte Miststück, für das er arbeitete, sollte angeblich sogar noch schlimmer sein. Aber was er nicht wusste, tat ihm auch nicht weh. Jetzt war sie tot und konnte keinen Schaden mehr anrichten, und ihm war sogar die Mühe erspart geblieben, ihr eine Kugel durch den Kopf zu jagen.
Trotzdem war an ihrem Tod etwas Beunruhigendes gewesen. Das Bild des blassen, fast nackten Körpers, wie er dort auf dem dunklen Steinboden gelegen hatte, schien über seine eigene Reflektion im Glas des Fensters zu huschen. Der Vampir hatte sie getötet, daran gab es keinen Zweifel. Sie hatte ein deutliches Wundmal am Hals aufgewiesen, und weitere an den Brüsten und den Hüften. Das Monstrum selbst hatte auf seinem Bett gesessen, die eisigen Augen so glasig und desinteressiert wie eh und je. Aber Roias hatte hinter der gletscherhaften Oberfläche jenes Blicks etwas gespürt, irgendeine Erwartung, die ihn immer noch beunruhigte.
Warum hatte Alexander zugelassen, dass der Vampir sie greifen konnte?, fragte er sich. Hatte sie am Ende begriffen, dass er sie in jedem Fall töten würde, und sich für ein schnelles Ende entschieden? War sie einfach zu nahe an die Gitterstäbe gekommen zu einem Zeitpunkt, wo Seine Hoheit in besonders wilder Stimmung war? Was auch immer der Grund gewesen sein mochte, der Graf hatte ihr den Tod nicht leicht gemacht. Er dachte an die Wundmale auf der weißen Haut und verspürte ein pochendes Begehren. Zu schade, dass er dort unten keine Kameras installiert hatte. Das hätte einen ganz besonders ›speziellen‹ Film gegeben. Nicht dass er mit den dreien, die er gemacht hatte, nicht gut verdient hätte. Natürlich war der Markt für so etwas beschränkt, aber bei dem Preis, den er für ein einziges Band erzielte, war das kein Problem. Und es war reiner Gewinn: Er hatte den Kameramann und Leseur mit Firmengeld bezahlt, die Einnahmen der Filme sich selbst in die Tasche gesteckt.
Er zündete sich eine weitere Zigarette an und sog genüsslich den Rauch ein. Rooke würde dieses Projekt bald abschließen, das stand für ihn fest. Keiner dieser Jobs dauerte je lang. In ein paar Wochen würde er einen neuen Standort ausfindig machen, neue Beschaffungskanäle für das Rohmaterial – sein Blick fiel wieder auf die verschlungenen Glieder auf dem Bett. Dieser Ort hatte seinen Zweck erfüllt, und er war seiner verdammt müde. Die lange Fahrt von der Stadt hierher, dann die Tage, die er praktisch als Gefangener in den leeren Korridoren verbrachte, das alles hatte seine Wirkung auf ihn nicht verfehlt. Der nächste Standort würde in der Stadt liegen, wo er die Welt wieder mitbekam. Er vermisste die rauchigen Nächte in den Bars, vermisste die Freiheit, nach Belieben kommen und gehen zu können, vermisste die Gelegenheit, andere Gesichter als die von Peterson, Leseur und den anderen sehen zu können, die ihm zunehmend lästig wurden.
Roias lehnte sich in seinem Sessel zurück und versuchte, sich Leseurs letztes Machwerk anzusehen. Es vermochte ihn immer noch nicht erregen, und nach einer Weile stand er unruhig auf und ging an die Tür. Ob in der Küche wohl noch Bier war? Er kostete die angenehme Kühle des Alkohols bereits auf der Zunge, als ihm klarwurde, dass sich der Türknopf in seiner Hand zwar gedreht, die Tür sich aber nicht geöffnet hatte. Er zog noch einmal daran, aber sie bewegte sich nicht. Es gab kein Außenschloss, was also hielt die Tür verschlossen? Und was noch wichtiger war: Wer hatte das getan? Nicht Wilkens. Vielleicht Peterson. Der Junge war den ganzen Tag über schon so komisch gewesen, befand er, jetzt, wo er daran dachte. Er hatte versucht, die Kratzer in seinem Gesicht abzudecken, als er totenbleich und zittrig von der Begräbnisstelle zurückgekommen war. Vielleicht war das die Vorstellung, die dieser kleine Idiot von Spaß hatte. Verdammt komisch, aber sobald hier Schluss war, würde der kleine Scheißer das gar nicht mehr so komisch finden.
Nachdem er ein paar Augenblicke lang an der Tür gerüttelt hatte, entschied er, dass er Leseur bitten musste, ihm jemanden heraufzuschicken. Er kehrte an die Steuerkonsole zurück und schaltete die Sprechanlage ein. »Leseur!«, rief er und schaltete das Gerät dann auf Empfang. Und hörte die Schreie.
Einen Augenblick lang dachte er, es handele sich um den Film, dachte, Leseur hätte in letzter Minute beschlossen, ein wenig
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