Die Nacht mit dem Wuestenprinzen
richtige Wahl getroffen hatte. Das Kleid, das Tiffany so sehr gefiel, war seiner Meinung nach viel zu auffallend. Schwarz dagegen signalisierte Eleganz und Bescheidenheit, wie es sich für die Frau eines Prinzen von Dhahara gehörte.
Als Tiffany die Vorhänge beiseiteschob und sich präsentierte, war Rafiq begeistert. Sie sah genauso aus, wie er es sich vorgestellt hatte.
„Exzellent“, sagte er zu Madame. „Wir nehmen es.“
„Warte“, widersprach Tiffany. „Ich trage Schwarz nicht besonders oft.“
Er kam zu ihr und strich ihr über die Wange. Sanft flüsterte er: „Du hast ein schwarzes Kleid getragen, als wir uns kennenlernten.“
Sie schüttelte sich. „Das war ein großer Fehler.“
Er musste zugeben, dass das hautenge, superkurze Fähnchen, das sie in Hongkong getragen hatte, ziemlich billig ausgesehen hatte. Doch das hier war anders. Unter seiner Aufsicht und dank Madames unfehlbarem Geschmack hatten sie das perfekte Kleid gefunden.
„Das Kleid gehörte Renate, nicht mir.“ Tiffany wirbelte herum. „Und jetzt will ich das andere anprobieren.“
Tiffany stand in der geräumigen Umkleidekabine und zitterte vor Wut. Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen und fragte sich, weshalb sie vorhin eingeknickt war. Warum hatte sie Rafiq nicht klipp und klar gesagt, dass sie sich selbst ein Kleid aussuchen wollte? Ein Kleid, das ihr gefiel. Wenn er ihre Klamotten auswählen wollte, dann sollte er sie gefälligst selbst tragen.
Sie lachte frustriert.
Schon ihr ganzes Leben lang war sie von anderen dirigiert worden. Nie hatte sie eigene Entscheidungen treffen dürfen. Alles hatte man ihr vorgeschrieben. Ihr Vater, ihre Lehrer, dann Imogen, Renate und jetzt Rafiq.
Das musste aufhören, und zwar sofort.
Sie ließ die Hände sinken und schaute ihr Spiegelbild an. Ich bin schwanger, dachte sie. Bald bin ich Mutter. Ich kann mein eigenes Leben managen – und das meiner Tochter.
Energisch zog sie den Reißverschluss des schwarzen Kleides auf, streifte es ab und hängte es wieder auf den gepolsterten Bügel. In diesem Moment erschien auch Madame und brachte das schimmernde Kleid, das den Konflikt ausgelöst hatte.
„Danke.“ Tiffany gönnte der Designerin ein charmantes Lächeln. Madame brauchte nicht zu wissen, was sie empfand. Rafiq hatte kein Recht, sich so machohaft zu benehmen, egal, wie reich oder welcher Abstammung er war. Sie war ein freier Mensch und forderte Anerkennung. Wenn sie die nicht bekam, konnte sie genauso gut nach Hause fahren, um ihrem Vater mitzuteilen, dass er recht behalten hatte mit seinen Warnungen. Denn dann wäre sie schwanger, pleite und brauchte jemanden, der für sie und das Kind sorgte.
Hier ging es nicht mehr um ein Kleid, sondern um ihre Zukunft und um die ihres Kindes.
Rafiq glaubte, sie habe keinen Stil. Wenn sie an Renates Kleid dachte, konnte sie ihm das nicht verübeln. Doch sämtliche Outfits, die sie seitdem getragen hatte, bewiesen das Gegenteil.
Tiffany schlüpfte in den Kleidertraum, den sie ausgesucht hatte, und hoffte inständig, dass sie sich nicht geirrt hatte. Egal. Wie auch immer sie darin aussah, es war ihre Wahl. Sie durfte nicht zulassen, dass Rafiq bestimmte, was sie trug. Es war Zeit, ihm klarzumachen, dass er seinen Willen nicht immerzu durchsetzen konnte. Ein charmantes Lächeln oder eine falsche Zärtlichkeit würden nicht mehr genügen, um sie kleinzumachen.
Madame stand hinter ihr und schloss den Reißverschluss. Tiffany hörte den bewundernden Laut, den die Designerin ausstieß.
„Très magnifique.“
Tiffany wagte einen Blick in den Spiegel, und was sie sah, war das Gegenteil jener Dame in Schwarz von vorhin. Hier stand eine junge strahlende Frau, die Zartheit und kraftvolle Energie in sich vereinte.
Dieses Kleid war perfekt.
Es brachte ihr Wesen vollendet zur Geltung.
Doch gleich darauf wurde Tiffany unsicher. Konnte sie es zulassen, dass Rafiq sie so sah? Dass die ganze Welt sie so sah? Sie zögerte, aber dann straffte sie die Schultern.
Sie brauchte sich für das, was sie war, nicht zu schämen.
Ehe die Zweifel wieder die Oberhand gewannen, trat sie nach draußen und zeigte sich.
Als Rafiq Tiffany erblickte, durchströmte ihn eine Woge des Verlangens. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden und dachte immer nur: Diese Frau gehört mir. Niemand sonst darf sie haben. Kein weißer Ritter, kein Durchschnittstyp mit Haus und Garten. Sein zweiter Gedanke galt der Farbe des Kleides. Sie schien wie für Tiffany gemacht. Kaum konnte
Weitere Kostenlose Bücher