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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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geht. Ich behalte die Stahltür im Auge und mache mich auf das gefasst, was dahinter sein könnte. Die Tür öffnet sich.
    Nichts.
    Er wird von einer funzeligen Glühbirne beleuchtet und drinnen stinkt es bestialisch, nach Urin oder Schlimmerem. In einer Ecke steht ein abgeranzter alter Hocker und alle Wände sind mit rotem Textmarker vollgeschmiert. Der Aufzug ist eklig, aber er ist leer.
    Lautstark schließen sich die Türen hinter uns. Im Aufzug ist es klapprig und zugig und ich bin mir ziemlich sicher, Ritzen zwischen den Wänden und dem Boden zu erkennen. Ich drücke den obersten Knopf, auf dem ein ›D‹ steht. Um uns herum rumpeln Kabel und Gewichte, die diese Todesfalle in Gang setzen. Die Wände sind dünn wie Pappe.
    »D?«
    »Dach.«
    »Sollen wir uns zu Nummer sechs abseilen?«
    »Bevor wir losstürmen, müssen wir uns erst mal mit der Umgebung vertraut machen. Vom Dach aus können wir alles überblicken. Dann sehen wir, ob es irgendwelche Fallen gibt. Können uns Fluchtwege überlegen.«
    Wolfboy sagt nichts mehr, also findet er den Plan wohl nicht völlig verrückt. Eins kann man ihm nicht vorwerfen, er ist kein Alpha oder Macho. Als ich gesagt habe, wir müssen ein Team sein, hat er zugehört. Und jetzt muss das weibliche Mitglied des Teams aufs Dach, um einen klaren Kopf zu bekommen. Wir haben unsere Probleme nicht an dem Zaun nach Orphanville zurückgelassen, aber wenn wir erst in Nummer sechs sind und das Feuerzeug wiederholen, will ich an nichts anderes denken.
    Ich konzentriere mich auf die Zahlen über der Tür.
    2.
    3.
    Der Aufzug bewegt sich alles andere als geschmeidig, mehrmals rumpelt und stockt er, um dann mit einem Ruck weiter hochzufahren.
    4.
    5.
    »Das hat was von Russischem Roulette, oder?«
    , sage ich, ohne die Nummern der Stockwerke aus den Augen zu lassen.
    »Angst?«
    , fragt er, aber ich hab den Verdacht, dass er selbst Panik hat.
    Noch ein paar Sekunden, dann drehe ich durch. Bitte mach, dass der Aufzug nicht stehen bleibt. Lass ihn direkt bis zum Dach fahren.
    Und dann passiert es.
    8.
    Der Aufzug hält.
    PLING!
    Ich kann gerade noch fluchen, bevor die Tür aufgeht.
    In der achten Etage ist es stockdunkel und man kann unmöglich erkennen, was sich vor dem Aufzug befindet. Eine Gestalt kommt aus der Finsternis geschlurft. Wolfboy verzieht sich in die dunkelste Ecke des Fahrstuhls. Das mit dem ›nichts überstürzen‹ hat er wohl ernst genommen.
    Ein Kidd kommt herein, ein kleiner Junge mit einem Mini-Fernseher, dessen Bildschirm einen Sprung hat. Das Gesicht des Jungen wird von der Kapuze seiner Windjacke fast völlig verdeckt, seine nackten Füße sinddreckig und zerkratzt. Ein durchdringender Geruch nach nasser Wolle und Hühnerdung erfüllt den Aufzug.
    Ohne uns anzusehen, latscht er herein, stellt sich mit dem Gesicht zur Tür und drückt Nummer 11. Er trägt ein Holzbrett wie ein Schwert quer über dem Rücken. Meine Augen weiten sich. Auf dem Brett kleben Glasscherben mit den Spitzen nach oben. Wenn jemand das Pech hätte, damit geschlagen zu werden, würde er an mindestens fünfzig Stellen bluten. Mit einem Knall geht die Tür zu und ächzend setzt sich der Aufzug wieder in Gang.
    9.
    Ich atme nicht. Bleibe ganz ruhig. Ich bewege die Schultern und merke, wie sich die Ukulele mit bewegt. Wenn nötig, würde ich sie jedem Kidd opfern, das eins mit dem Ding übergebraten haben will.
    Kapuze kann nicht still stehen, er macht Stepptanz auf dem Linoleum. Unter der Kapuze kann er uns wahrscheinlich nicht richtig sehen. Vielleicht ist er auch so breit, dass es ihm egal ist. Während der Aufzug fährt, knallen die Beine des Hockers auf den Boden.
    Kapuze wendet sich zu uns um und grunzt einen Gruß. Er zeigt auf den Fernseher. »Hab nich mehr das Sagen«, sagt er mit mörderischem Lispeln. »Gordie hat meinen Stoff genommen, da hab ich ihm das Messer verpasst.«
    Keiner von uns sagt etwas.
    Das scheint nicht die nette Aufzug-Unterhaltung zu sein, auf die Kapuze aus ist, denn plötzlich spannt er die Muskeln an und dreht sich schnell komplett zu uns um.
    Wenn er unter der Kapuze nur ein halbes Gesicht hätte, würden wir es nicht erkennen. Er nimmt eine Hand vom Fernseher und berührt die Spitze seiner selbst gebastelten Waffe.
    Ich schaue zu Wolfboy, der wie erstarrt in der Ecke steht.
    Ich bin dran.
    Ich mache mich klein und denke kurze Gedanken. Dann ziehe ich die Schultern nach vorn und schaukele auf den Fersen vor und zurück. Ich mache wundersame Augen und beiße mir auf

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