Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
Gestalt Vieris plötzlich vor ihm stand, diesen für ihn fast heiligen Ort zu entweihen. Und so stapfte er wütend auf die Gruppe zu, die ihn neugierig musterte.
In seinem Aufzug, dem langen ungepflegten Haar glich Gianluca einem Eremit unbestimmten Alters, und sein Vater erkannte ihn nicht sofort. Sie maßen sich mit einem Blick, mit dem jeder vom anderen eine Rechtfertigung für seine Anwesenheit verlangte. Schließlich sagte Vieri, das sei sein Sohn, und die junge Frau, die an seinem Arm hing, rief: „Niedlich!“, und die anderen lachten.
„Meine Studenten.“
„Das ehemalige Seminar ‚Existentialistische Philosophie und die Moderne‘“, fügte ein großer Junge mit schiefen Zähnen hinzu, nachdem er seinen Joint weitergereicht hatte.
„Ich dachte, ihr streikt.“ Gianluca hatte nicht die Absicht, sich besänftigen zu lassen. „Unbefristeter Ausstand bis zur Durchsetzung unserer berechtigten Forderungen oder so.“
„Wir nennen es projektorientiertes Studium“, das Mädchen an der Seite seines Vaters lächelte, und Gianluca starrte finster auf ihren Busen, der sich deutlich unter dem dünnen ärmellosen Top abzeichnete. Sie streckte einen Arm aus. „Das ist das wirkliche Leben. Echte Arbeiter und die Frucht ihrer Hände Arbeit, so sagt man doch?“ Mit einer schnellen Bewegung ihres Kopfes warf sie das schwarze Haar zurück. „Ist es nicht wahnsinnig spannend? Also, ich finde das viel interessanter als diese ewigen Fabriken. Überall stinkende Maschinen. Und dann der Lärm!“ Sie schüttelte sich. „Hier dagegen, das ist noch Natur! Das da hinten zum Beispiel...“
Gianluca hörte nicht mehr zu. Während jetzt alle gleichzeitig redeten und das wiederholen mochten, was sie gerade aufgeschnappt hatten, beobachtete er die Hand seines Vaters, die die braune Schulter des Mädchens streichelte.
Als schließlich eine Pause eintrat, sagte der Junge mit dem entstellten Gebiss. „Du hast natürlich gewusst, dass dein Vater ein lizzatore war, aber für uns war das vollkommen neu. Es kommt nicht oft vor, dass sich ein Professor als leibhaftiger Arbeiter entpuppt.“
„Ja“ - Gianluca senkte den Blick - „er war ein Held der Arbeit.“ Dann sah er zu dem Mädchen, das immer noch strahlte, und plötzlich wünschte er sich selbst eine Freundin wie sie, er spürte den Drang, sie zu berühren, ihre glatte und warme Haut zu streicheln wie es sein Vater tat, und er fühlte, wie er ihn darum beneidete, fühlte die Eifersucht, die ihn müde und stumpf machte. „Und er war ein Held des Widerstandes“, fügte er leiser hinzu. „Lasst euch davon erzählen.“ Dann drehte er sich um und machte sich auf den Abstieg hinunter zu seiner Vespa.
7. Kapitel
Es klang wie ein Lied, ein heiserer Chor, der Schrei des capolizza , der sich in den Bergen verlor, das Echo, das sich in den Felsen brach und wie aus vielen Mündern zurückzukehren schien. Und in dieses Brausen hinein antworteten seine Männer. Sie brüllten hinauf zum molator , und der Stein fiel schwer in die zum Zerreißen gespannten Seile. Er sackte nicht mehr als eine Handbreit, und doch schien er sich jedes Mal von jedem Halt befreit zu haben, um unaufhaltsam in die Menschenmenge hinunterzustürzen, die das Schauspiel atemlos verfolgte. Und so mischten sich die Ohs und Ahs der Zuschauer in den Singsang der Männer.
„ Aléé , Gigi, ihr schafft es!“ rief jemand aus einer kleinen Gruppe, die gleich neben den Carabinieri bei der Absperrung stand. Und während die Rufe hinauf- und herunterschallten, mahnten jene zischend zur Ruhe, die fürchteten, der molator oben auf dem Plateau könne sich im Durcheinander der Schreie nicht mehr zurechtfinden und das Seil im falschen Augenblick lockern oder zu spät wieder anziehen.
„Ich kann nicht hinsehen.“ Die Frau, die neben Maximilian stand, griff nach dessen Arm. Der Wind blies ihr dünnes rotes Kleid auf und ließ sie unförmig erscheinen. „Was muss er sich beweisen, mein Gigi.“ Sie schüttelte den Kopf, und ihre schwarze Perücke verrutschte ein Stück. „Das nächste Jahr tue ich mir das nicht mehr an.“
Ob man vorhabe, die Vorführung zu wiederholen, fragte Matteo, der näher getreten war.
„Was glauben Sie denn?“ Ihr Blick ging zum Himmel. „Man nennt es Revival“. Sie sprach das Wort italienisch aus, und Maximilian benötigte eine kurze Spanne Zeit, um es zu verstehen. „Alles für die Touristen. Natürlich.“ Sie seufzte, und ihr Blick ging noch einmal oben. „Wenn es
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