Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
nur nicht regnet!“
Die carica bestand aus drei Blöcken, die von Tauen zusammengehalten wurden, zusammen fünfzehn oder zwanzig Tonnen schwer, ein seltsames, weißgraues Bündel, das an ein von Kinderhand gezeichnetes Fahrzeug erinnert hätte, ein eckiges Auto, eine unförmige Lokomotive, wären die dicken Drahtseile nicht gewesen, die es hielten und deren Singen den Chor der Männer begleitete, die Luft durchschnitt, wenn sie sich spannten.
Mit seiner gesunden Hand zeigte Matteo hinauf. „ I cavi , die Drahtseile. Es kann nichts passieren.” Für die Touristen wollte man kein Risiko eingehen.
Die Frau schüttelte den Kopf. Sie murmelte: „Was wisst ihr schon.“
Der Berg war kahl, rötlich die von Felsen durchzogene Erde. Überall lag loses Geröll. Wenige vertrocknete Sträucher und Gräser hielten sich in den Spalten und an einigen geschützten Stellen. Nur die via di lizza , jene fast senkrechte Verbindung zwischen Bergwerk und Tal, war geräumt, schien so blank gescheuert, als wäre an dieser Stelle noch Stunden zuvor ein reißender Bergbach hinabgestürzt.
Sechs Männer waren zu sehen. Dazu kam der unsichtbare molator , der hoch über ihnen an den Drahtseilen arbeitete. Drei standen hinter der Ladung, nahmen die parati auf, jene Rundhölzer, auf denen die Blöcke langsam zu Tal glitten, und warfen sie nach vorne dem ungino zu, dem Einfetter. Dieser betastete sie, schmierte bei Bedarf weitere Seife darauf, und reichte sie Gigi, dem capolizza . Ein paar Meter talwärts begutachtete sein Stellvertreter die Strecke, entfernte den einen oder anderen Ast oder lockerte mit seinem genagelten Schuh das Erdreich, um einen vorspringenden Stein aus dem Boden zu lösen.
Vor dem Marmorblock stand nur der capolizza selbst, ein kleines Männchen, wie es von unten schien, und als er sich bückte, um eines der glitschigen Rotbuchen- oder Eichenhölzer unter den Stein zu schieben, die Stelle sorgfältig zu prüfen, an der es eingeführt werden musste, stützte er sich mit einer Hand gegen den Block, der riesig und schwer über ihm hing, und in diesem Augenblick waren es nicht mehr die armdicken Stahlseile, die den Stein hielten, sondern er selbst, eine unscheinbare, gekrümmte Gestalt, die alle Kraft der Welt aufbrachte. Doch dann wich er zurück, ein Schrei erklang, und der Block sackte ein weiteres Stück zu Tal.
Als Gigi fiel, den halben Hang hinunterrutschte und dann wie tot liegen blieb, dachten alle zuerst an einen Unfall. Die Frau neben Maximilian schrie auf und rannte nach vorne zur Absperrung.
Man brachte ihn herunter, ein Sanitäter, ein bereitstehender Arzt liefen herbei, und die Menschen traten näher, bildeten einen undurchdringlichen Ring um das Geschehen. Nach einer Weile zog Matteo Maximilian mit sich. An den Essen- und Getränkeständen war jetzt weniger Andrang, und sie bestellten Wein, einen streng riechenden, fast harzig schmeckenden Weißen, der candia hieß und den Maximilian nicht kannte. Wortlos tranken sie die ersten Schlucke.
Auf dem Platz begann sich die Menge zu zerstreuen. Die ersten Motorroller wurden gestartet und knatterten an den Souvenirständen vorbei die schmale Straße hinunter ins Tal. Der Himmel war dunkel, fast schwarz. Bald würde es regnen.
Maximilian sah zum Bergwerk hinauf. Gigis Männer saßen auf einem Vorsprung und rauchten. Verlassen hing der Block auf halbem Wege in den stählernen Seilen. Ohne die arbeitenden Männer wirkte er noch bedrohlicher als zuvor. Es war ihre Anstrengung gewesen, die ihn gezähmt hatte, es waren ihre Hände gewesen, die sich an ihm festgehalten und dabei den Anschein erweckt hatten, sie hielten nicht sich, sondern ihn – seien tatsächlich in der Lage, seinem Gewicht zu trotzen. So mussten die Drahtseile, die ihn nur mühsam zu bändigen schienen, jetzt unweigerlich reißen, zerspringen wie vormals die kunstvoll gedrehten und gefetteten Hanftaue. Und er wirkte fremd. So eckig und glatt schien er niemals Teil des Berges gewesen zu sein.
Maximilians Blick wanderte weiter zum Dorf, zu den Häusern aus dem gleichen grauweißen Stein, die sich in den gegenüberliegenden Hang drängten, hinauf bis zum Gipfel. Er suchte eine Stelle dazwischen, jene Stelle, wo er Laura zum ersten Mal berührt hatte, umarmt hatte. Er dachte an den Wind, an ihr offenes Haar auf seinem Gesicht, an die Steinchen, die sie hinuntergeworfen hatten, an ihr rundes Knie in seiner Hand. Hatten sie sich geküsst? Er wusste es nicht mehr und erschrak.
„Wie geht es deinem
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