Die Nachtmahr Wunschträume
von »uns« sprechen, wenn er mir so einen Vorwurf machte. Und wie konnte er es überhaupt wagen, mir irgendeinen Vorwurf in dieser Richtung zu machen? Als wäre es meine Schuld ...
»Mich!«, korrigierte er und wirkte immer noch betont lässig. Seine blonden Locken so weit ins Gesicht hängend, dass man seine Augen im Halbdunkel des Hotelzimmers kaum richtig erkennen konnte.
»Es gibt keinen!«
»Es muss. Ich fühle es.«
»Ach, und wie
fühlst
du es?« Betont lässig konnten zwei Leute spielen!
»Nur durch ihn hast du mich aus deinen Träumen verbannen können!« David gab seine Haltung auf und trat einen Schritt auf mich zu.
»Du bist so ein Arsch!«, behauptete ich. Nicht nur, weil ich genau wusste, an was und an wen ich gedacht hatte, als es mir gelungen war, den Tagtraum als eine Manipulation von David zu durchschauen. Mich an diesem Gedanken festhaltend, weigerte ich mich, auf Davids Näherkommen zu reagieren und zurückzuweichen. Stattdessen versuchte ich es mit Logik. »David, du hattest 8 Jahre Zeit und 2 Chancen.«
»Gib mir noch eine«, verlangte er und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Ein Zeichen, dass er zumindest aktuell keinen Angriff plante.
»Nein! Du hast sie versaut.«
»Aber ...«
»Du hast mich mehr verletzten, verraten und enttäuschen als jeder andere Mensch den ich kenne. Das reicht ...« Und es war mir auch scheißegal, dass Klaus auf der anderen Seite der Tür stand und zuhörte.
»Der andere ...«
»Kapierst du es nicht?«, unterbrach ich. »Du und ich gibt es nicht, wird es auch nie wieder geben ... unabhängig von jedem anderen Menschen auf der Welt.«
»Es gibt also jemanden?«, hakte er nach, als wäre dass das Wichtigste an diesem Gespräch und meiner Aussage.
»Raus!«, befahl ich.
Er regierte genausowenig wie Elijah und Jonah zuvor. Anscheinend war mein Befehlston oder mein Auftreten nicht entschlossen genug. »R.A.U.S!«, brüllte ich – und endlich reagierte mein Stiefbruder. Mit einem letzten bösen Blick in meine Richtung verließ er das Zimmer. Ich knallte die Tür hinter ihm zu und verriegelte sie vorsichtshalber auch gleich.
Als ich mich umdrehte, stellte ich fest, dass ich die falsche Tür verriegelt hatte. Durch die noch offene war Klaus in den Raum getreten und sah mich mit einem tadelnden Blick an.
»Halt ja den Mund«, drohte ich spielerisch. Vorwürfe konnte ich jetzt echt nicht gebrauchen. Nicht von
Mister Supersexy-Charming ich kann meine eigene Beziehung vor die Wand fahren
-Klaus.
»War das auch was anderes?«, fragte er trotzdem gut gelaunt.
»Raus!«, befahl ich. Allerdings in einem deutlich friedlicheren Tonfall als bei den drei Jungs zuvor.
Lachend ging Klaus zur Tür, blieb aber im Durchgang stehen, um mich ernst anzusehen. »Wenn du reden willst, weißt du ja, wo du mich findest.«
»In der Stripbar nebenan?«, spöttelte ich, was mir ein weiteres Lachen einbrachte, bevor er endgültig die Tür zwischen uns schloss und mich mit seiner Blumenbotschaft und meinen wirren Gedanken über Liebe, Spaß, Vertrauen und Eifersucht allein ließ.
Als ich erwachte, wusste ich sofort, wo ich war. In »Saint Blocks«. Nichts hatte sich geändert. Selbst das Gefühl der Schwere in der Luft.
Ich war zehn Jahre alt, ich war allein. Mein erstes Weihnachten ohne meine Familie, ohne Liebe. Und trotz der Tannenzweige in meinem Raum war der Duft nach nassem Kalk, altem Gestein und Verzweiflung unterschwellig vorhanden, das Wissen um vergossene Tränen, zerstörte Hoffnungen. Meine Hoffnungen. Denn als ich die Augen öffnete und an mir hinabsah, stellte ich fest, dass mich mein erstes Gefühl betrogen hatte. Ich war nicht zehn. Ich war siebzehn, beinahe achzehn und ich war allein. Wieder. Immer. Nichts hatte sich geändert. Niemand war da. Aber dieses Mal wusste ich es. Ich wusste, dass nichts mehr gut werden würde, nie wieder. Der Kummer des Verlustes ließ mich schreien.
Ich öffnete die Augen und sah direkt in Klaus Gesicht. Er saß auf einem Sessel, den er sich zum Fußende meines Bettes gezogen hatte und starrte mich an.
Einen Moment lang wusste ich nicht, ob ich mich auf das Flirren der Traumlinien in der Luft konzentrieren sollte, oder auf ihn. Waren wir in diesem Hotelzimmer Köder und Beschützer oder Opfer und Täter?
Ich sah fort, weil ich mich an den Kummer und den Verlust erinnerte und beides nicht nur als Reminiszenz durch meine Adern glühte, sondern auch als akute Gefühle. Mit einem sehr bitteren Geschmack auf der Zunge und
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