Die Nachtmahr Wunschträume
für mich aufzehren, oder mich in der Realität verabscheuen. Beides war nichts, was ich wollte. Aber ich konnte ihn unmöglich dazu bringen, mich zu lieben – nicht, wenn ich nicht dasselbe empfand. Nicht mehr dasselbe empfand. Es war auf so vielen Ebenen falsch, dass ich bei einer Aufzählung gar nicht gewusst hätte, wo ich anfangen soll. Dann lieber das Verabscheuen.
Früher hatte ich angenommen, es wäre cool jemanden beeinflussen zu können. Als Vampir zum Beispiel hätte man die hübschesten Kerle abschleppen können. Aber jetzt war ich älter. Jetzt wollte ich um meiner selbst willen geliebt werden, nicht weil derjenige sich nicht wehren konnte. Und noch viel wichtiger: Den blöden Spruch
Mit großer Macht kommt große Verantwortung
, hatte ich verinnerlicht. Anscheinend hätte Macchiavelli an mir keine Freude gehabt. Aber das konnte ja noch kommen. Falls David an seinem Geburtstag die Bombe platzen lassen wollte, konnte ich ja immer noch zur Bösen-Liz mutieren und David zu meinem Liebes-Clown machen.
Immerhin konnte ich, die Gute-Liz, nach einer Dreiviertelstunde eine SMS mit dem Wort »bestanden« an alle Freunde und Familienmitglieder verschicken. Der Führerschein für Auto und Motorrad war mein!
Zwei Stunden später, beim letzten Klingeln des Tages war ich immer noch der Überzeugung, etwas Wichtiges übersehen zu haben. Okay, ich war ein Sukkubus, auch wenn Elijah das Gegenteil behauptet hatte, und konnte Männer – oder besser gesagt kleine Jungs – beeinflussen, ich hatte meinen Führerschein und David fand mich immer noch genauso Kacke, wie mich Elijah und Jonah angeblich toll fanden. Was konnte ich übersehen haben?
Mir fiel nichts ein. Und so ließ ich mich, während alles Richtung Hauptausgang strömte, von Daria, Jessica und Rebecka zum Seitenausgang dirigieren, um schneller aus dem Gebäude und an die Luft kommen zu können. Frische Luft hatte ich tatsächlich sehr nötig und für einige friedliche Sekunden gab ich mich der Vorstellung hin, ganz normal zu sein; genoss die Sonne auf meiner Haut, den Geruch von Gras und sogar den Hintergrundlärm der vorbei eilenden Schüler.
Doch selbst mit geschlossenen Augen bemerkte ich, wie sich die Aufmerksamkeit aller fokussierte. Noch bevor ich das Motorgeräusch wahrnahm, hatte ich die Lider wieder geöffnet und starrte in die Richtung, aus der das gleichmäßige, aber laute Schnurren kam. Langsam, aber wie eine nur kurzfristig gebändigte Naturgewalt, bog das Auto um die Kurve. Allein durch seine Form und seine Farbe – es war rot, aber so dunkel, dass es beinahe schwarz wirkte – wäre es ein Blickfang gewesen. Aber das Geräusch des Motors ließ die Jungs vor Neid erblassen und die Mädchen ehrfürchtig erstarren.
»Großer Gott!« Daria hielt sich an meiner Schulter fest. »Ist das ein Porsche?«
»Quatsch, ein Lamborghini«, tadelte Jessica.
»Nein, das ist der Gott unter den Autos …«, meine Stimme bebte leicht. Ehrlich … wenn ich je ein Götzenbild gehabt hatte, dann das. »Ein Bugatti!«
Oder um es ganz genau zu machen ein Bugatti Veyron EB 16,4 Pur Sang. Mit seinen 1001 PS konnte er auf 400 km/h kommen. Allein der Gedanke machte meine Knie weich. Noch weicher wurden sie, als der Wagen nahe des Hauptgebäudes auf dem Schülerparkplatz hielt.
Es musste eine Sonderedition sein, denn die Scheiben waren getönt und die Felgen schwarz. Schnurr.
»Pass auf, sie betet es gleich an!«, lenkte mich Rebecka vom Objekt meiner Begierde ab und brachte mich dazu, mich lachend vom Auto abzuwenden. Tatsächlich war ich leicht zu bestechen. Man gebe mir ein Auto im Wert von zirka einer Millionen Dollar und schon war ich hin und weg. (Für den schmaleren Geldbeutel taten es aber auch eine Cola und Lindt-Schokolade.)
»Sieht eher nach einem multiplen Orgasmus aus«, meinte Daria mit einer Mischung aus Spott, Tadel und Sehnsucht.
Jessica nahm ihre Sonnenbrille ab. »Stimmt.«
Erst jetzt fiel mir auf, dass die Verzückung in ihren Stimmen nicht dem Auto galt.
Ich drehte mich wieder um. Ja, der Besitzer des Wagens konnte mit seinem geschmeidigen Luxusgefährt mithalten. Zumindest soweit ich das von seiner Rückseite her ablesen konnte. Jeans, knackiger Po … breite Schultern, das Hemd – es hatte dieselbe Farbe wie sein Auto – dünn genug, um die Figur zu zeigen. Muskulös, aber nicht zu sehr. Lässig und von dem Wirbel, den sein Auftritt – oder besser sein Vorfahren – verursacht hatte, gänzlich ungerührt, lehnte er an seinem Auto
Weitere Kostenlose Bücher