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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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geworden
    war, ihm irgendwie das Gehirn zermanscht. Man musste schon ein ganz
    besonderer Idiot sein, um zu versuchen, einen gefährlichen Gefangenen
    ganz allein zu fesseln. Wenn er das bei Carcer versucht hätte, wäre er
    seit fünf Minuten ein toter Idiot.
    Der Wärter öffnete die Tür. Mumm stand auf und streckte die Hände
    aus. Schnauzi zögerte kurz, bevor er ihm die Schel en anlegte. Es zahlte
    sich immer aus, zu einem Wärter höflich zu sein – vielleicht wurden
    einem dadurch die Hände nicht auf den Rücken gebunden. Ein Mann
    mit beiden Händen vor sich genoss ziemlich viel Freiheit.
    »Du gehst vor mir die Treppe hoch«, sagte Schnauzi und hob eine
    recht gefährlich aussehende Armbrust. »Wenn du auch nur versuchst,
    schnel zu gehen, hnah, trifft dich der Bolzen dort, wo er einen
    langsamen Tod bewirkt.«
    »Streng, aber gerecht«, sagte Mumm. »Streng, aber gerecht.«
    Langsam stieg er die Treppe hinauf und hörte Schnauzis
    schnaufenden Atem hinter sich. Wie viele Leute mit einem begrenzten
    intel ektuel en Horizont nahm Schnauzi das, was er konnte, sehr ernst.
    So hätte er zum Beispiel einen erfrischenden Mangel an Skrupel gezeigt,
    von seiner Waffe Gebrauch zu machen.
    Mumm erreichte das obere Ende der Treppe und erinnerte sich daran,
    stehen zu bleiben.
    »Hnah, nach links«, sagte Schnauzi hinter ihm. Mumm nickte sich
    selbst zu. Und dann die erste Tür rechts. Die Erinnerungen kehrten
    zurück, in einer großen Wel e. Dies war die Sirupminenstraße. Das erste
    Wachhaus. Hier hatte al es begonnen.
    Die Tür des Hauptmanns stand offen. Der müde wirkende Alte hinter
    dem Schreibtisch sah auf.
    »Setz dich«, sagte Tilden kühl. »Danke, Schnauzi.«
    Mumms Erinnerungen an Hauptmann Tilden waren gemischter
    Natur. Er hatte zum Militär gehört, bevor er diesen Job als eine Art
    Pension bekam, und das war eine üble Sache für einen hochrangigen
    Polizisten. Es bedeutete, dass er sich an die Obrigkeit wandte, Befehle
    von ihr entgegennahm und ihr gehorchte. Mumm hingegen hielt es für
    besser, die Befehle der Obrigkeit entgegenzunehmen, sie dann durch
    ein feines Netz der Vernunft zu filtern und eine großzügige Portion
    kreativen Missverständnisses beizugeben, vielleicht auch noch
    beginnende Taubheit. Die Obrigkeit begab sich schließlich nur selten
    auf das Niveau der Straße herab. Tilden legte zu großen Wert auf
    polierte Brustharnische und zackige Paraden. Auch davon brauchte
    man etwas, zugegeben. Man durfte nicht zulassen, dass die Leute
    herumgammelten. Aber obwohl Mumm es nie laut gesagt hätte: Es
    gefiel ihm, hier und dort einen zerbeulten Brustharnisch zu sehen. Es
    bedeutete nämlich, dass jemand die Beulen hineingeschlagen hatte. Und
    wenn man in den Schatten lauerte, wol te man bestimmt nicht
    glänzen…
    An der einen Wand hing die Fahne von Ankh-Morpork, ihr Rot zu
    einem vagen Orange verblichen. Angeblich salutierte Tilden jeden
    Morgen vor ihr. Auf dem Schreibtisch stand ein ziemlich großes
    Tintenfass, verziert mit einem goldenen Regimentswappen. Schnauzi
    putzte es jeden Morgen auf Hochglanz. Tilden hatte das Militär nie
    ganz verlassen.
    Doch Mumm brachte dem Alten auch Verständnis entgegen. Er war
    ein erfolgreicher Soldat gewesen, soweit man das sagen konnte.
    Meistens hatte er auf der Seite des Siegers gestanden. Mit guter, wenn
    auch langweiliger Taktik hatte er mehr Feinde getötet als eigene Männer
    durch eine aufregende, aber schlechte Taktik. Er war auf seine eigene
    Art und Weise freundlich und einigermaßen gerecht gewesen. Die
    Männer der Wache hatten Kreise um ihn gebildet, ohne dass er etwas
    davon bemerkte.
    Tilden bedachte Mumm mit dem Langen-Blick-in-Verbindung-mit-
    Papierkram. Er sollte folgende Botschaft vermitteln: Wir wissen alles
    über dich, und deshalb sol test du uns al es über dich erzählen. Aber er
    war nicht besonders gut darin.
    Mumm erwiderte den Blick ungerührt.
    »Wie lautet dein Name?«, fragte Tilden, als er begriff, dass Mumm der
    bessere Starrer war.
    »Keel«, sagte Mumm. »John Keel.« Und… Ach, zum Henker… »Hör
    mal, du hast da nur ein Stück Papier, das irgendetwas bedeutet, und
    zwar den Bericht des Feldwebels, wenn er überhaupt schreiben kann.«
    »Ich habe hier zwei Dokumente, um ganz genau zu sein«, sagte der
    Hauptmann. »Das zweite betrifft den Tod von John Keel. Nun?«
    »Für eine Prügelei mit der Wache?«
    »Angesichts der derzeitigen angespannten Lage wäre das genug für die
    Todesstrafe«, sagte Tilden

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