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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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man ein Polizist sein will, müssen die
    Leute daran glauben, dass man ein Polizist ist. Dumme Sache, was? Du
    weißt doch, dass wir in der Vergangenheit sind, oder?«
    »Ja, so scheint es«, erwiderte Mumm. Es gefiel ihm nicht, mit Carcer
    zu reden, aber derzeit gab es keine anderen Gesprächspartner.
    »Wo bist du gelandet, wenn ich fragen darf?«
    »In den Schatten.«
    »Ich auch. Zwei Burschen kamen und wol ten mich ausrauben. Mich!
    Kannst du dir das vorstel en, Herr Mumm? Aber sie hatten Geld dabei,
    und deshalb kann ich mich eigentlich nicht beschweren. Ja, ich glaube,
    hier wird’s mir gefal en. Ah, da kommt einer unserer tapferen Jungs…«
    Ein Wächter schritt durch den Flur und schwang einen
    Schlüsselbund. Er war schon etwas älter, und Mumm kannte den Typ:
    Solche Polizisten bekamen die Arbeit, bei der das Schwingen von
    Schlüsselbunden wahrscheinlicher ist als das von Schlagstöcken. Sein
    auffälligstes Merkmal war eine Nase, doppelt so breit und halb so lang
    wie eine gewöhnliche Nase. Er sah Mumm kurz an, ging dann weiter zu
    Carcers Zelle und schloss auf.
    »Du«, sagte er. »Schwirr ab.«
    »Ja, Herr, danke, Herr«, sagte Carcer, verließ die Zelle und deutete auf
    Mumm. »Nehmt euch bloß vor dem in Acht, Herr. Er ist ein Tier.
    Anständige Leute sol ten nicht in der gleichen Zelle mit ihm eingesperrt
    sein, Herr.«
    »Du sollst abschwirren.«
    »Schwirre schon, Herr. Danke, Herr.« Carcer zwinkerte Mumm kurz
    zu und schwirrte ab.
    Der Wärter wandte sich Mumm zu. »Und wie heißt du, hnah?«
    »John Keel«, sagte Mumm.
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Und ich bin bereits verprügelt worden, herzlichen Dank, einmal
    genügt. Ich möchte jetzt gehen.«
    »Oh, du möchtest gehen, wie? Hnah! Du möchtest, dass ich dir diese
    Schlüssel gebe, hnah, und viel eicht auch noch fünf Cent aus der
    Armenkasse, hnah, für deine Mühe, wie?«
    Der Mann stand sehr dicht vor dem Gitter und grinste wie jemand, der sich irrtümlicherweise für intelligent hält. Wenn Mumms Reflexe
    schnel er waren – und daran zweifelte er nicht –, konnte er den alten
    Narren packen, ihn an die Gitterstäbe ziehen und seine Nase noch
    breiter machen. Für Psychopathen war wirklich al es einfacher.
    »Die Freiheit würde genügen«, sagte er und widerstand der
    Versuchung.
    »Du gehst nirgends hin, hnah, abgesehen von einem Besuch beim
    Hauptmann«, sagte der Wärter.
    »Du meinst Hauptmann Tilden?«, fragte Mumm. »Das stimmt doch,
    oder? Raucht wie ein Schlot? Hat ein Messingohr und ein Holzbein?«
    »Ja, und er kann dich erschießen lassen, hnah, wie passt dir das in den Kram?«
    Auf dem vol gepackten Schreibtisch von Mumms Gedächtnis kam
    das Kaffeedeckchen der Erinnerung unter der Teetasse des Vergessens
    zum Vorschein.
    »Du bist Schnauzi «, sagte er. »Habe ich Recht? Irgendein Bursche
    brach dir die Nase, und sie ist nicht ordentlich gerichtet worden! Und
    dir tränen dauernd die Augen – deshalb hat man dich unbefristet für
    den Zel endienst eingeteilt…«
    »Kenne ich dich?«, fragte Schnauzi und sah Mumm aus misstrauisch
    blickenden, tränenden Augen an.
    »Mich? Nein!«, erwiderte Mumm schnell. »Ich habe Leute über dich
    reden gehört. Kümmert sich praktisch um al es im Wachhaus, heißt es.
    Ein sehr gerechter Mann, sagen die Leute. Streng, aber gerecht. Spuckt
    nie in den Brei, pinkelt nie in den Tee. Und bringt nie etwas
    durcheinander.«
    Die sichtbaren Teile von Schnauzis Gesicht verzogen sich zur
    verärgerten Grimasse eines Mannes, der nicht mehr ganz mitkommt.
    »Ach, ja?«, brachte er hervor. »Nun, hnah, ich halte die Zel en immer
    sauber, das stimmt.« Die Entwicklung der Dinge schien ihn zu
    verwirren, aber es gelang ihm erneut, eine finstere Miene aufzusetzen.
    »Du bleibst hier, Freundchen, und ich sage dem Hauptmann, dass du
    wach bist.«
    Mumm legte sich wieder hin und betrachtete orthographisch falsche
    und anatomisch gewagte Graffiti an der Decke. Von oben kam eine
    laute Stimme, und gelegentlich erklang ein aufdringliches »Hnah!« von
    Schnauzi.
    Dann hörte er die Schritte des Wärters auf der Treppe.
    »Na so was«, sagte er im Tonfall von jemandem, der sich darauf freut,
    dass eine dritte Partei bekommt, was sie verdient. »Zufälligerweise sollst
    du sofort zum Hauptmann kommen. Lässt du dich von mir fesseln,
    hnah, oder sol ich die anderen Jungs rufen?«
    Mögen die Götter dir beistehen, dachte Mumm. Viel eicht hatte der
    Schlag, durch den Schnauzis Nase zu einem breiten Fladen

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