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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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aus der Vordertür hinaus. Sie
     stieg in den Wagen, setzte Jo neben sich und ließ den Motor an.
    Aber Henry war
     sofort da. Er hielt Davids Schrotflinte in der Hand, stellte den Fuß lässig auf das
     Trittbrett und fragte: »Wohin willst du?«
    Sie verlor den Mut. Wenn sie jetzt
     losfuhr, würde er vielleicht schießen – welcher Instinkt hatte ihn nur dazu gebracht,die Flinte diesmal mit ins Haus zu nehmen? –, und sie durfte Jo nicht
     gefährden. »Ich stelle nur den Wagen unter.«
    »Geht das nicht ohne Jos
     Hilfe?«
    »Die Fahrt gefällt ihm. Was sollen diese Fragen?«
    Henry zuckte
     die Achseln und trat zurück.
    Sie betrachtete ihn einen Moment lang, wie er in
     Davids Reitjacke dastand und Davids Flinte wie zufällig in der Hand hielt, und fragte
     sich, ob er wirklich schießen würde, wenn sie einfach davonführe. Dann erinnerte sie
     sich an die eisige Kälte, die sie von Anfang an in ihm verspürt hatte, und wußte, daß
     er um des Zieles willen, dem er sich letzten Endes verschworen hatte, rücksichtslos zu
     allem bereit wäre.
    Sie fühlte sich plötzlich furchtbar erschöpft und gab
     nach. Sie legte den Rückwärtsgang ein und fuhr den Geländewagen in den Schuppen. Dann
     stellte sie den Motor ab, stieg aus und ging zusammen mit Jo ins Haus zurück. Sie hatte
     keine Ahnung, was sie mit Henry reden, was sie in seiner Gegenwart tun und wie sie ihr
     Wissen verbergen sollte – wenn sie sich nicht schon bereits verraten hatte.
    Sie
     hatte keine Pläne.
    Aber sie hatte die Schuppentür offengelassen.

SECHSTER TEIL – KAPITEL 32
    as ist die Insel,
     Erster«, sagte der Captain und senkte sein Fernrohr.
    Der Erste Offizier spähte
     durch den Regen und die Gischt. »Nicht gerade der ideale Urlaubsort, nicht wahr, Sir? Ganz
     schön trostlos, würde ich sagen.«
    »Stimmt.« Der Captain war ein altmodischer
     Navy-Offizier mit angegrautem Bart, der schon während des ersten Weltkriegs gegen
     Deutschland auf See gekämpft hatte. Er hatte sich daran gewöhnt, über die lockere
     Redeweise seines Ersten Offiziers hinwegzusehen, denn der Junge hatte sich – allen
     Erwartungen zum Trotz – als ausgezeichneter Seemann erwiesen.
    Der »Junge«, der
     über dreißig und nach den Maßstäben dieses Krieges ein alter Seebär war, hatte keine
     Ahnung, welche Großmut ihm da zuteil wurde. Er hielt sich mit aller Kraft an der Reling
     fest, während die Korvette eine steile Welle erklomm, sich auf dem Kamm ausrichtete und
     ins Tal abtauchte. »Jetzt sind wir also hier, und was machen wir nun, Sir?«
    »Wir
     umkreisen die Insel.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Und halten Ausschau nach einem U-
     Boot.«
    »Bei diesem Wetter wird bestimmt keines nahe an die Oberfläche kommen –
     und selbst wenn, würden wir es erst sehen, wenn wir bereits darauf spucken könnten.«
    »Der Sturm wird heute nacht abflauen – spätestens morgen.« Der Captain stopfte sich
     seine Pfeife.
    »Glauben Sie?«
    »Ich bin sicher.«
    »Seemännischer
     Instinkt, nehme ich an?«
    »Wettervorhersage.«
    Die Korvette fuhr um eine
     Landzunge herum, und sie sahen eine kleine Bucht mit einem Anlegeplatz. Auf der
     Felsenspitze darüber stand ein kleines, viereckiges Haus, das dem Wind trotzte.
    Der Captain wies in die Richtung: »Wir werden übersetzen, sobald es
     geht.«
    Der Erste Offizier nickte. »Trotzdem . . . «
    »Ja?«
    »Ich
     würde sagen, wir brauchen jedesmal eine ganze Stunde, um die Insel einmal zu
     umrunden.«
    »Und?«
    »Nun, wenn wir nicht großes Glück haben und zum
     richtigen Zeitpunkt genau an der richtigen Stelle sind . . . «
    ». . . wird das U-
     Boot auftauchen, seinen Passagier an Bord nehmen und wieder wegtauchen, und wir sehen noch
     nicht einmal das Kräuseln der Wellen, die es dabei macht«, fuhr der Captain fort.
    »Genau.«
    Mit einem Geschick, das auf große Erfahrung bei stürmischer See
     schließen ließ, zündete der Captain seine Pfeife an. Er schmauchte einige Male, dann
     nahm er einen tiefen Lungenzug. »Ich folge nur meinen Befehlen«, sagte er und blies Rauch
     durch seine Nase. »Der Rest geht mich nichts an.«
    »Das haben die Reiter im
     Krimkrieg auch gesagt, Sir.«
    »Was?«
    »Der Angriff der Leichten
     Brigade. Gefeiert von Tennyson, dem Dichter. Aber ein militärisches Desaster.«
    Der
     Captain schmauchte weiter. »Es geht eben nichts über die klassische Bildung.«
    Am
     östlichen Ende der Insel stand ein weiteres Haus. Der Captain betrachtete es durch das
     Fernrohr genau und

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