Die Nadel.
Er
wußte es, weil er morgens ihre Augen sah, wenn er aufstand und sie ins Bett ging. Dann ließ
sie einige Stunden lang die Verstellung fallen. Es war also nicht Furchtlosigkeit, sondern
Mut, und er war stolz auf sie.
Es regnete stärker, als er aus dem Bus ausstieg. Er zog
seinen Hut tiefer ins Gesicht und stellte seinen Mantelkragen hoch. An einem Kiosk kaufte er
Zigaretten für Christine: Seit einiger Zeit rauchte sie, wie sehr viele andere Frauen
auch. Der Inhaber gab Bloggs nur fünf Stück, weil Tabak knapp war. Er legte sie in ein
Zigarettenetui aus Bakelit von Woolworth.
Ein Polizist hielt ihn an und verlangte seine
Kennkarte: wieder zwei Minuten verplempert. Ein Krankenwagen fuhr vorbei, der dem von
Christine ähnlich sah; es war ein konfiszierter, grün angestrichener Lastwagen, der früher
zum Transport von Obst gedient hatte.
Es würde nicht mehr lange dauern, bis er zu
Hause war. Die Explosionen kamen näher, und er konnte den Lärm der Flugzeuge deutlich
hören. Dem East End stand an diesem Abend wieder ein neuer Feuerzauber bevor. Er würde in
dem Bunker bei Morrison schlafen.
Eine große Bombe schlug ganz in der Nähe ein. Er
ging schneller. Er würde im Bunker auch zu Abend essen.
Er bog in die Straße ein, sah
die Krankenwagen und Feuerwehrautos und fing an zu rennen.
Die Bombe war in der Mitte der Straße niedergegangen, auf der Seite, wo
er wohnte, und zwar ziemlich in der Nähe. Herr im Himmel, doch nicht –
Das Dach
hatte einen Volltreffer erhalten, und das Haus war buchstäblich plattgedrückt worden. Er
rannte zu der Menge hin – Nachbarn, Feuerwehrleute und freiwillige Helfer. »Ist meiner
Frau etwas passiert? Ist sie herausgekommen? Ist sie womöglich da drin?«
Ein
Feuerwehrmann sah ihn mitleidig an. »Niemand ist da rausgekommen, Kumpel.«
Leute
vom Bergungstrupp suchten die Trümmer ab. Plötzlich schrie einer von ihnen: »Hierher!«
Dann sagte er: »Ach du meine Fresse, das ist ja die furchtlose Bloggs!«
Frederick
rannte zu der Mauer hin. Christine lag unter dem Rest einer riesigen Mauer. Ihr Gesicht war
zu sehen, ihre Augen waren geschlossen.
Der Mann rief: »Bergungsgeräte, Leute, und
zwar ein bißchen plötzlich!«
Christine stöhnte und bewegte sich.
Bloggs
sagte: »Sie lebt!« Er kniete sich neben sie hin und schob seine Hände unter die ersten
Steine.
Der Mann sagte: »Das kriegst du nicht weg, Junge!« Das Mauerwerk hob sich
ein wenig.
»Paß auf, du bringst dich noch um«, sagte der Mann, und er bückte
sich, um Bloggs zu helfen.
Als sie die Mauer einen halben Meter vom Boden
hochgehoben hatten, stemmten sie ihre Schultern darunter. Die schwere Mauer lastete jetzt
nicht mehr auf Christine. Ein dritter Mann kam hinzu und ein vierter. Zusammen drückten
sie die Mauer weiter nach oben.
Bloggs sagte: »Ich hebe sie heraus.«
Er
kroch unter die schräg stehende Wand und legte seine Arme um Christine.
Jemand
schrie: »Scheiße, es rutscht!«
Bloggs tauchte auf, Christine fest an seine Brust
gepreßt. Sobalddie beiden in Sicherheit waren, ließen die Männer los
und sprangen zur Seite. Das Gemäuer fiel mit einem widerlich dumpfen Schlag auf die Erde
zurück. Und das alles war auf Christine heruntergefallen. Bloggs war klar, daß sie das
nicht überleben würde.
Er trug sie zum Krankenwagen, der sofort losfuhr. Bevor sie
starb, öffnete sie noch einmal die Augen und sagte: »Du wirst den Krieg ohne mich
gewinnen müssen, Kleiner.«
Jahre später, als Bloggs von Highgate nach London
hinunterging und der Regen sich auf seinem Gesicht wieder mit den Tränen vermischte,
dachte er, daß die Frau in dem Haus, in dem Faber gewohnt hate, eine große Wahrheit
ausgesprochen hatte: Der Haß wurde übermächtig.
Im Krieg
werden Jungen zu Männern, Männer werden Soldaten, und Soldaten werden befördert. Deshalb
wurde Billy Parkin, der achtzehn Jahre alt war und Lehrling in der Gerberei seines Vaters
in Scarborough hätte sein sollen, in der Armee aber für einundzwanzig gehalten wurde, zum
Sergeant befördert. Er hatte den Befehl erhalten, seinen Trupp durch einen heißen,
trockenen Wald zu einem staubigen, gekalkten italienischen Dorf zu führen.
Die
Italiener hatten kapituliert, aber die Deutschen noch nicht. Sie waren es, die Italien
gegen die britisch- amerikanische Invasion verteidigten. Die Alliierten stießen auf Rom
vor, und für Sergeant Parkins Trupp war es
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