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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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Er
     wußte es, weil er morgens ihre Augen sah, wenn er aufstand und sie ins Bett ging. Dann ließ
     sie einige Stunden lang die Verstellung fallen. Es war also nicht Furchtlosigkeit, sondern
     Mut, und er war stolz auf sie.
    Es regnete stärker, als er aus dem Bus ausstieg. Er zog
     seinen Hut tiefer ins Gesicht und stellte seinen Mantelkragen hoch. An einem Kiosk kaufte er
     Zigaretten für Christine: Seit einiger Zeit rauchte sie, wie sehr viele andere Frauen
     auch. Der Inhaber gab Bloggs nur fünf Stück, weil Tabak knapp war. Er legte sie in ein
     Zigarettenetui aus Bakelit von Woolworth.
    Ein Polizist hielt ihn an und verlangte seine
     Kennkarte: wieder zwei Minuten verplempert. Ein Krankenwagen fuhr vorbei, der dem von
     Christine ähnlich sah; es war ein konfiszierter, grün angestrichener Lastwagen, der früher
     zum Transport von Obst gedient hatte.
    Es würde nicht mehr lange dauern, bis er zu
     Hause war. Die Explosionen kamen näher, und er konnte den Lärm der Flugzeuge deutlich
     hören. Dem East End stand an diesem Abend wieder ein neuer Feuerzauber bevor. Er würde in
     dem Bunker bei Morrison schlafen.
    Eine große Bombe schlug ganz in der Nähe ein. Er
     ging schneller. Er würde im Bunker auch zu Abend essen.
    Er bog in die Straße ein, sah
     die Krankenwagen und Feuerwehrautos und fing an zu rennen.
    Die Bombe war in der Mitte der Straße niedergegangen, auf der Seite, wo
     er wohnte, und zwar ziemlich in der Nähe. Herr im Himmel, doch nicht –
    Das Dach
     hatte einen Volltreffer erhalten, und das Haus war buchstäblich plattgedrückt worden. Er
     rannte zu der Menge hin – Nachbarn, Feuerwehrleute und freiwillige Helfer. »Ist meiner
     Frau etwas passiert? Ist sie herausgekommen? Ist sie womöglich da drin?«
    Ein
     Feuerwehrmann sah ihn mitleidig an. »Niemand ist da rausgekommen, Kumpel.«
    Leute
     vom Bergungstrupp suchten die Trümmer ab. Plötzlich schrie einer von ihnen: »Hierher!«
     Dann sagte er: »Ach du meine Fresse, das ist ja die furchtlose Bloggs!«
    Frederick
     rannte zu der Mauer hin. Christine lag unter dem Rest einer riesigen Mauer. Ihr Gesicht war
     zu sehen, ihre Augen waren geschlossen.
    Der Mann rief: »Bergungsgeräte, Leute, und
     zwar ein bißchen plötzlich!«
    Christine stöhnte und bewegte sich.
    Bloggs
     sagte: »Sie lebt!« Er kniete sich neben sie hin und schob seine Hände unter die ersten
     Steine.
    Der Mann sagte: »Das kriegst du nicht weg, Junge!« Das Mauerwerk hob sich
     ein wenig.
    »Paß auf, du bringst dich noch um«, sagte der Mann, und er bückte
     sich, um Bloggs zu helfen.
    Als sie die Mauer einen halben Meter vom Boden
     hochgehoben hatten, stemmten sie ihre Schultern darunter. Die schwere Mauer lastete jetzt
     nicht mehr auf Christine. Ein dritter Mann kam hinzu und ein vierter. Zusammen drückten
     sie die Mauer weiter nach oben.
    Bloggs sagte: »Ich hebe sie heraus.«
    Er
     kroch unter die schräg stehende Wand und legte seine Arme um Christine.
    Jemand
     schrie: »Scheiße, es rutscht!«
    Bloggs tauchte auf, Christine fest an seine Brust
     gepreßt. Sobalddie beiden in Sicherheit waren, ließen die Männer los
     und sprangen zur Seite. Das Gemäuer fiel mit einem widerlich dumpfen Schlag auf die Erde
     zurück. Und das alles war auf Christine heruntergefallen. Bloggs war klar, daß sie das
     nicht überleben würde.
    Er trug sie zum Krankenwagen, der sofort losfuhr. Bevor sie
     starb, öffnete sie noch einmal die Augen und sagte: »Du wirst den Krieg ohne mich
     gewinnen müssen, Kleiner.«
    Jahre später, als Bloggs von Highgate nach London
     hinunterging und der Regen sich auf seinem Gesicht wieder mit den Tränen vermischte,
     dachte er, daß die Frau in dem Haus, in dem Faber gewohnt hate, eine große Wahrheit
     ausgesprochen hatte: Der Haß wurde übermächtig.
    Im Krieg
     werden Jungen zu Männern, Männer werden Soldaten, und Soldaten werden befördert. Deshalb
     wurde Billy Parkin, der achtzehn Jahre alt war und Lehrling in der Gerberei seines Vaters
     in Scarborough hätte sein sollen, in der Armee aber für einundzwanzig gehalten wurde, zum
     Sergeant befördert. Er hatte den Befehl erhalten, seinen Trupp durch einen heißen,
     trockenen Wald zu einem staubigen, gekalkten italienischen Dorf zu führen.
    Die
     Italiener hatten kapituliert, aber die Deutschen noch nicht. Sie waren es, die Italien
     gegen die britisch- amerikanische Invasion verteidigten. Die Alliierten stießen auf Rom
     vor, und für Sergeant Parkins Trupp war es

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