Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
Vom Netzwerk:
ein langer Marsch.
    Sie kamen auf der
     Kuppe eines Hügels aus dem Wald heraus und legten sich flach auf den Bauch, um ins Dorf
     hinabzuschauen. Parkin holte seinen Feldstecher hervor und sagte: »Verdammte Scheiße, was
     würd’ ich jetzt für ’ne Scheiß-Tasse Scheiß-Tee geben.« Inzwischen hatte er sich
     an Alkohol, Zigaretten und Frauen gewöhnt, und seine Ausdrucksweise unterschied sich nicht
     mehr von der jedes anderen Soldaten. An Gebetsversammlungen nahm er nicht mehr teil.
    Manche dieser Dörfer wurden verteidigt, manche nicht. Parkinmußte
     zugestehen, daß diese Taktik etwas für sich hatte: Man wußte nicht, welche Orte
     verteidigt wurden, und deshalb mußte man sich allen vorsichtig nähern, und das kostete
     Zeit.
    Der Hang des Hügels bot wenig Deckung – nur ein paar Sträucher. Das Dorf
     begann an seinem Fuß. Es bestand aus einigen weißen Häusern, einem Fluß mit einer
     Holzbrücke, noch einigen weiteren Häusern an einer kleinen Piazza mit einem Rathaus und
     einem Uhrenturm. Vom Turm bis zur Brücke war die Sicht unbehindert. Wenn der Feind
     überhaupt hier war, mußte er im Rathaus sein. Ein paar Gestalten arbeiteten auf den
     umliegenden Feldern. Der Himmel wußte, wer sie waren. Sie konnten echte Bauern sein oder
     Mitglieder aller möglichen Gruppen: fas-cisti, mafiosi, corsos, partigianos,
     communisti . . . oder sogar Deutsche. Erst wenn die Schießerei losging, würde man
     wissen, auf welcher Seite sie standen.
    Parkin sagte: »Also los, Corporal.«
    Corporal Watkins verschwand wieder im Wald und tauchte fünf Minuten später auf dem
     Sandweg auf, der ins Dorf führte. Er trug einen Zivilhut und eine schmutzige alte Decke
     über der Uniform. Er stolperte mehr, als daß er ging, und auf seinen Schultern lag ein
     Bündel, das alles enthalten konnte – von einem Sack Zwiebeln bis zu einem toten
     Kaninchen. Am diesseitigen Rand des Dorfes verschwand er in der Dunkelheit eines niedrigen
     Häuschens.
    Nach einer Weile kam er heraus. Dicht an der Wand stehend, wo er vom
     Dorf aus nicht gesehen werden konnte, blickte er hinauf zu den Soldaten auf dem Hügel und
     winkte: eins, zwei, drei.
    Der Trupp kletterte den Hang hinunter zum Dorf.
    »Alle Häuser leer, Sarge«, meldete Watkins.
    Parkin nickte. Es hatte nichts zu
     sagen.
    Sie rückten zwischen den Häusern hindurch zum Fluß vor. Parkin befahl:
     »Du bist dran, Smiler. Schwimm über den Mississippi hier.«
    Schütze »Smiler«
     Hudson legte seine Ausrüstung fein säuberlichzusammen, nahm den Helm
     ab, zog Stiefel und Uniformjacke aus und glitt in den schmalen Strom. Er tauchte an der
     gegenüberliegenden Seite auf, kletterte am Ufer hoch und verlor sich zwischen den
     Häusern. Diesmal mußten sie länger warten: Die Gegend, die ausgekundschaftet werden
     mußte, war größer. Schließlich kam Hudson über die Holzbrücke zurück. »Wenn se hier
     sind, verstecken se sich«, sagte er.
    Er nahm seine Sachen wieder an sich, und der
     Trupp überquerte die Brücke ins Dorf. Sie gingen dicht an der Häuserfront entlang,
     während sie sich der Piazza näherten. Ein Vogel flog von einem Dach auf, und Parkin
     zuckte zusammen. Einige der Männer traten ein paar Türen auf, an denen sie
     vorbeikamen. Niemand zeigte sich.
    Sie standen am Rand der Piazza. Parkin nickte zum
     Rathaus hinüber. »Bist du reingegangen, Smiler?«
    »Ja, Sir.«
    »Sieht also
     aus, als wenn das Dorf uns gehört.«
    »Ja, Sir.«
    Parkin machte einen
     Schritt nach vorn, um die Piazza zu überqueren – da brach der Sturm los. Gewehre
     knallten, und überall pfiffen Kugeln. Jemand schrie. Parkin rannte nach vorn, schlug Haken
     und duckte sich. Vor ihm brüllte Watkins vor Schmerz und umklammerte sein Bein. Parkin hob
     ihn hoch. Eine Kugel prallte klingend von seinem Stahlhelm ab. Er raste auf das nächste
     Haus zu, warf sich gegen die Tür und fiel nach innen.
    Die Schießerei hörte
     auf. Parkin riskierte einen Blick nach draußen. Ein Mann lag verletzt auf der Piazza:
     Hudson. Brutale Gerechtigkeit. Hudson bewegte sich, und ein einzelner Schuß ertönte. Dann
     war es still. Parkin sagte: »Scheißkerle.«
    Watkins fingerte fluchend an seinem
     Bein herum. »Kugel noch drin?« fragte Parkin.
    Watkins schrie »Au!«, grinste und
     hielt etwas in die Höhe. »Nicht mehr.«
    Parkin spähte wieder hinaus. »Sie sind
     im Uhrenturm. Kaum zu glauben, daß sie genug Platz haben. Können nicht viele sein.«
    »Aber sie können

Weitere Kostenlose Bücher