Die Nadel.
geschlossen wurde, gab es während des Krieges so große
Verspätungen, daß der letzte Zug oft noch nicht abgefahren war, bevor der erste
Versorgungszug am Morgen eintraf. In der Bahnhofshalle mußte sich Bloggs durch einen Wust
von Reisetaschen und auf dem Boden Schlafender durchkämpfen.
Bloggs zeigte drei
Bahnpolizisten das Bild. Keiner von ihnenerkannte das Gesicht. Er wandte
sich an zehn Gepäckträgerinnen: nichts. Er ging zu jeder Fahrkartensperre. Einer der
Kontrolleure sagte mürrisch: »Wir sehen uns Fahrkarten an, nicht Gesichter.« Er befragte
ergebnislos ein halbes Dutzend Reisende. Schließlich betrat er die Schalterhalle und
zeigte jedem der Beamten das Bild.
Ein dicker, kahlköpfiger Mann mit einem
schlechtsitzenden falschen Gebiß erkannte das Gesicht. »Es ist eine Art Spiel für
mich«, erzählte er Bloggs. »Ich versuche, etwas an jedem Reisenden zu entdecken, das mir
verrät, warum er verreist. Er könnte einen schwarzen Schlips haben, weil er zu einer
Beerdigung muß; oder dreckige Stiefel bedeuten, daß er ein Farmer ist, der nach Hause
fährt; oder eine weiße Stelle am Finger einer Frau, die ihren Ehering abgezogen hat
. . . Verstehen Sie, was ich meine? Meine Arbeit ist langweilig – aber ich will mich
nicht beklagen – «
»Was haben Sie an diesem Mann bemerkt?» unterbrach Bloggs
ihn.
»Nichts. Das war es eben – ich konnte mir nicht das geringste unter ihm
vorstellen. Fast, als ob er es darauf anlegte, unauffällig zu sein. Wissen Sie, was ich
meine?«
»Ich weiß, was Sie meinen.« Bloggs machte eine Pause. »Ich möchte,
daß Sie jetzt sehr genau überlegen. Wohin fuhr er? Können Sie sich erinnern?«
»Ja«, antwortete der dicke Beamte. »Nach Inverness.«
»Das bedeutet nicht, daß er wirklich dorthin fährt«, sagte
Godliman. »Er ist Profi – er weiß, daß wir uns auf Bahnhöfen erkundigen
können. Wahrscheinlich kauft er automatisch eine Karte für die falsche Richtung.« Er
blickte auf seine Uhr. »Er muß um 23.45 Uhr gefahren sein. Der Zug kommt jetzt gerade in
Stafford an. Ich habe mit der Bahn gesprochen, und der Mann vom Stellwerk wurde
informiert«, setzte er erklärend hinzu. »Der Zug wird vor Crewe angehalten werden. Eine
Maschine steht bereit, die Sie beide nach Stoke-on-Trent fliegen wird. Parkin,Sie steigen dort in den Zug, wo man ihn gestoppt hat, vor Crewe. Sie
werden als Schaffner verkleidet sein und sich jede Karte – und jedes Gesicht – im Zug
ansehen. Wenn Sie Faber entdeckt haben, bleiben Sie einfach in seiner Nähe.
Bloggs,
Sie warten an der Fahrkartensperre in Crewe, falls Faber beschließt, dort
auszusteigen. Aber das wird er nicht. Sie steigen ein und als erster in Liverpool wieder
aus. Dann warten Sie an der Sperre, bis Parkin und Faber rauskommen. Die Hälfte der
dortigen Polizei ist im Einsatz, um Sie zu unterstützen.«
»Das klingt sehr gut,
solange er mich nicht erkennt«, sagte Parkin. »Und wenn er sich noch von Highgate her an
mein Gesicht erinnert?«
Godliman öffnete eine Schreibtischschublade, nahm eine
Pistole heraus und gab sie Parkin. »Wenn er Sie erkennt, erschießen Sie den
Schweinehund.«
Parkin steckte die Waffe ohne Kommentar ein.
»Sie sollten
sich beide darüber im klaren sein, wie wichtig die Sache ist«, sagte Godliman. »Wenn wir
den Mann nicht fassen, muß die Invasion in Frankreich verschoben werden –
möglicherweise um ein Jahr. In diesem Jahr könnte sich das Kriegsglück wieder gegen uns
wenden. Der Zeitpunkt ist vielleicht nie mehr so günstig.«
»Dürfen wir wissen,
wie lange es noch bis zum D-Day dauert?«
Godliman sagte sich, daß sie
zumindest dasselbe Recht darauf hatten wie er . . . schließlich hielten sie den eigenen
Kopf dafür hin. »Ich weiß nur, daß es sich um Wochen handelt.«
Parkin dachte
nach. »Dann also im Juni.«
Das Telefon klingelte, und Godliman nahm den Hörer
ab. Kurz darauf blickte er hoch. »Ihr Wagen ist da.«
Bloggs und Parkin standen
auf.
Godliman sagte: »Warten Sie einen Moment.«
Sie standen an der Tür und
sahen den Professor an. Er sagte: »Ja, Sir. Selbstverständlich. Wird gemacht. Auf
Wiedersehen, Sir.«
Bloggs konnte sich niemanden vorstellen, den Godliman mit »Sir«
anredete. »Wer war denn das?«
»Churchill.«
»Was hat er gesagt?« fragte
Parkin ehrfürchtig.
»Er wünscht Ihnen beiden viel Glück und Gottes Hilfe.«
DRITTER TEIL – KAPITEL 15
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