Die Nadel.
hatte, sagte Godliman: »Jetzt ist er also wieder inLondon, und wir
suchen wieder, in des Wortes doppelter Bedeutung, nach einer Nadel im Heuhaufen.« Er spielte
mit den Streichhölzern, die er auf seinem Schreibtisch zu einem Bild zusammensetzte. »Wissen
Sie, jedesmal wenn ich mir die Photographien ansehe, habe ich das Gefühl, daß ich dem
verdammten Kerl schon einmal begegnet bin.«
»Denken Sie nach!« meinte
Bloggs. »Wo?«
Godliman schüttelte entmutigt den Kopf. »Es kann nur einmal gewesen
sein, an einem Ort außer der Reihe. Es kommt mir vor wie ein Gesicht, das ich bei einer
Vorlesung gesehen habe oder im Hintergrund bei einer Cocktailparty. Ein flüchtiger Blick,
eine zufällige Begegnung – selbst wenn es mir einfiele, würde uns das vermutlich nicht
weiterhelfen.«
Parkin fragte: »Was ist denn eigentlich in dem Sperrgebiet drin?«
»Keine Ahnung – was wohl besagt, daß es wahrscheinlich von außerordentlicher
Wichtigkeit ist.«
Alle schwiegen. Parkin zündete sich eine Zigarette mit einem von
Godlimans Streichhölzern an. Bloggs blickte auf. »Wir könnten eine Million Abzüge von
seinem Bild machen und jedem Polizisten, Luftschutzwart, Bürgerwehrmann, Soldaten und
Gepäckträger auf den Bahnhöfen eins in die Hand drücken, es an die Bretterzäune kleben
und in Zeitungen veröffentlichen . . . «
Godliman schüttelte den Kopf. »Zu
riskant. Was passiert, wenn er seine Beobachtungen schon nach Hamburg weitergemeldet hat? Wenn
wir einen öffentlichen Wirbel um den Mann veranstalten, weiß die Abwehr, daß seine
Informationen stimmen. Damit würden wir ihm nur Glaubwürdigkeit verleihen.«
»Aber
wir müssen doch etwas tun.«
»Natürlich. Wir werden sein Bild an Polizeibeamte
verteilen, seine Beschreibung an die Presse geben und behaupten, daß er ein ganz
gewöhnlicher Mörder sei. Wir geben die Einzelheiten der Morde in Highgate und Stockwell
bekannt, ohne zu sagen, daß es sich um einen Spionagefall handelt.«
»Sie meinen also, daß wir unser Blatt nicht ausreizen sollten?» fragte Parkin.
»Jedenfalls im Augenblick nicht.«
»Ich bringe die Sache beim Yard ins Rollen.« Bloggs nahm den Telefonhörer ab.
Godliman blickte auf seine Armbanduhr. »Heute nacht können wir nicht mehr viel tun, aber ich habe keine Lust, nach Hause zu gehen. Ich bin nicht müde.«
Parkin stand auf. »Dann werde ich einen Kessel auftreiben und etwas Tee machen.« Er ging hinaus.
Die Streichhölzer auf Godlimans Tisch hatten sich zu einem Pferdefuhrwerk zusammengefügt. Er nahm eines von den Läufen des Pferdes und steckte seine Pfeife damit an. »Haben Sie eine Freundin, Fred?« fragte er beiläufig.
»Nein.«
»Nicht seit –?«
»Nein.«
Godliman paffte an seiner Pfeife. »Es hat keinen Zweck, ewig zu trauern.«
Bloggs antwortete nicht.
Godliman sagte: »Schauen Sie, es steht mir nicht zu, Ihnen Ratschläge zu erteilen. Aber ich weiß, wie Sie sich fühlen – ich habe es selbst durchgemacht. Der einzige Unterschied war, daß am Tod meiner Fraeu niemand schuld ist.«
»Sie haben nicht wieder geheiratet«, entgegnete Bloggs, ohne Godliman anzusehen.
»Nein, und ich möchte nicht, daß Sie den gleichen Fehler machen. Wenn man in die Jahre kommt, kann es sehr bedrückend sein, allein zu leben.«
»Habe ich Ihnen je erzählt, daß sie die ?furchtlose Bloggs? genannt wurde?«
»Ja.«
Bloggs sah Godliman endlich an. »Sagen Sie mir, wo auf der Welt kann ich eine Frau wie sie finden?«
»Muß sie eine Heldin sein?«
»Nach Christine – ja.«
»England ist voll von Heldinnen, Fred.«
In diesem Moment trat Colonel Terry ein.
»Ah, Onkel Andrew – «, begrüßte ihn Godliman.
»Bleib sitzen«, unterbrach Terry. »Hör genau zu, es ist wichtig. Bloggs, Sie müssen es auch wissen. Der Mann, der die Bürgerwehrmänner getötet hat, hat ein Geheimnis erfahren, das für uns lebenswichtig ist.
Es wird eine Invasion geben. Jeder weiß das. Keiner weiß, wann oder wo. Es versteht sich von selbst, daß unser Ziel ist, die Deutschen in demselben Stand der Unwissenheit zu halten. Vor allem darüber, wo die Invasion stattfinden wird. Wir haben keine Mühen gescheut, um sicher zu gehen, daß der Feind in dieser Sache in die Irre geführt wird. Jetzt scheint es sicher, daß dem nicht so sein wird, wenn ihr Agent durchkommt. Er hat, das steht definitiv fest, unser Täuschungsmanöver durchschaut. Wenn wir nicht verhindern, daß er seine Erkenntnisse weitergibt, ist
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