Die Nadel.
begann schneller zu werden.
VIERTER TEIL – KAPITEL 19
ls Lucy aufwachte, tobte
der Sturm, der am Abend zuvor losgebrochen war, immer noch. Sie lehnte sich vorsichtig
über die Bettkante, um David nicht zu stören, und hob ihre Armbanduhr vom Fußboden
auf. Es war kurz nach sechs. Der Wind heulte um das Dach. David konnte weiterschlafen, denn
heute war kaum an Arbeit zu denken.
Sie fragte sich, ob über Nacht wohl
Schieferplatten vom Dach gefallen waren. Sie würde auf dem Dachboden nachsehen
müssen. Damit mußte sie warten, bis David aus dem Haus war, sonst würde er wütend sein,
weil sie ihn nicht gebeten hatte, sich darum zu kümmern.
Sie glitt aus dem Bett. Es
war so kalt wie im November. Sie zog das Flanellnachthemd über den Kopf und schlüpfte
rasch in Unterwäsche, Hose und Pullover. David rührte sich. Er drehte sich um, wachte
aber nicht auf.
Sie überquerte den winzigen Flur und schaute in Jos Zimmer. Der
Dreijährige hatte nun kein Kinderbett mehr, sondern ein richtiges Bett. Er fiel nachts oft
heraus, ohne aufzuwachen. An diesem Morgen war er im Bett und lag mit weit geöffnetem Mund
schlafend auf dem Rücken. Lucy lächelte. Er sah hinreißend aus, wenn er schlief.
Lucy ging leise die Treppe hinunter und überlegte einen Moment lang, warum sie so früh
aufgewacht war. Vielleicht hatte Jo ein Geräusch gemacht, oder vielleicht hatte es an dem
Sturm gelegen.
Sie kniete sich vor den Kamin, schob die Ärmel ihres Pullovers hoch
und machte Feuer. Während sie den Rost säuberte, summte sie eine Schlagermelodie, die sie
im Radio gehört hatte: »Is You Is Or Is You Ain’t My Baby?« Sie harkte die
kalte Asche zusammen, schichtete die größten Brocken aufeinander, legte getrockneten Farn
als Zunder dazwischen, Holz und Kohle darauf. Hin und wieder benutzte sie nur Holz, aber
bei diesem Wetterbrannte Kohle besser. Sie zündete den Farn an und
hielt eine Zeitungsseite für ein paar Minuten über den Kamin, um im Schornstein Zug zu
schaffen. Als sie die Zeitung wegnahm, brannte das Holz, und die Kohle glühte rot. Sie
faltete das Stück Papier zusammen und legte es unter den Kohlenkasten, um es am näch-
sten Tag wieder benutzen zu können.
Das Feuer würde bald das kleine Haus
erwärmen, doch eine heiße Tasse Tee würde inzwischen Abhilfe schaffen. Lucy ging in die
Küche und stellte den Kessel auf den elektrischen Herd. Zwei Tassen, Davids Zigaretten und
ein Aschenbecher kamen auf ein Tablett. Sie machte Tee, goß die Tassen voll und trug das
Tablett durch den Flur zur Treppe.
Lucy hatte schon einen Fuß auf die unterste
Stufe gestellt, als sie das leise Pochen hörte. Sie blieb stehen, runzelte die Stirn,
dachte, daß es wohl ein Klappern vom Wind sei, und ging eine weitere Stufe hoch. Das
Geräusch wiederholte sich. Es war, als klopfe jemand an die Vordertür.
Das war
natürlich lächerlich. Es gab niemanden, der an die Vordertür hätte pochen können –
nur Tom, und der kam immer an die Küchentür, ohne anzuklopfen.
Wieder das
Pochen.
Sie stieg die Stufe hinab, ging, das Teetablett auf einer Hand balancierend,
zur Tür und öffnete sie.
Sie ließ das Tablett fallen. Der Mann fiel in den Flur
und riß sie zu Boden. Lucy schrie auf.
Ihr Schreck währte nur einen Moment. Der
Fremde lag ausgestreckt neben ihr auf dem Fußboden und war offensichtlich nicht in der
Lage, jemandem etwas anzutun. Seine Kleidung war patschnaß, und seine Hände und sein
Gesicht waren vor Kälte schneeweiß.
Lucy stand auf. David rutschte auf dem
Hinterteil die Treppe herab und rief: »Was ist los? Was ist los?«
»Dort«, sagte
Lucy und zeigte auf den Mann.
David, der noch seinen Pyjama trug, erreichte das Ende
der Treppe und schwang sich in seinen Rollstuhl. »Ich weiß nicht,was
es da zu schreien gibt.« Er rollte näher heran und musterte den Mann auf dem
Fußboden.
»Entschuldige. Er hat mir einen Schrecken eingejagt.« Sie beugte sich
vor, packte den Mann an den Oberarmen und schleifte ihn ins Wohnzimmer. David folgte
ihr. Lucy legte den Mann vor den Kamin.
David starrte den Bewußtlosen nachdenklich
an. »Woher, zum Teufel, kommt er nur?«
»Er muß ein schiffbrüchiger Matrose
sein.«
»Natürlich.«
Aber Lucy bemerkte, daß er die Kleidung eines
Arbeiters, nicht die eines Seemannes trug. Er war recht groß, muskulös an Nacken und
Schultern. Sein Gesicht war kräftig und gut geschnitten; er hatte
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