Die nächste Begegnung
Richter Myshkin hechelten beim Lunch Commander Macmillan durch.
»Er hat, verdammt noch mal, keine Spur Humor.«
»Es ist ihm nur ganz einfach unmöglich, Ungewöhnliches einzuschätzen und ... äh ... zu schätzen.«
Max schäumte vor Zorn. Vor kurzem war er (an diesem Morgen bei einem inoffiziellen Hearing) vom Schiffskommandostab der Pinta gemaßregelt worden. Sein Freund, Richter Myshkin, hatte Max bei der Anhörung vertreten und dafür gesorgt, dass die Verhandlung nicht aus dem Ruder glitt.
»Aber diese Ärsche haben kein Recht, über mein Verhalten zu Gericht zu sitzen!«
»Du hast höchstwahrscheinlich recht, lieber Freund«, erwiderte Richter Myshkin, »zumindest in einem allgemeinen Sinn. Jedoch haben wir hier in diesem Raumschiff es sozusagen mit einem Arrangement einzigartiger Umstände zu tun. Diese Leute besitzen hier die Autorität, jedenfalls solange wir nicht in der Lowell-Kolonie gelandet sind und uns eine Regierung gegeben haben ... Auf jeden Fall aber ist ja nichts wirklich Schlimmes geschehen. Du erleidest in keiner Weise irgendwelche Nachteile durch deren Erklärung, dass dein Verhalten >untragbar< gewesen sei. Es hätte weit schlimmer kommen können.«
Vor zwei Tagen hatte man abends eine Par ty gefeiert anlässlich der erreichten Halbwegstrecke der Pinta von der Erde zum Mars. Und Max hatte über eine Stunde lang heftig mit der bezaubernden Angela Rendino geflirtet, die einer der Stabsoffiziere von Macmillan war. Daraufhin hatte der dröge Schotte Max beiseitegenommen und ihm nahegelegt, er solle Angela in Ruhe lassen.
»Das würde ich gern von ihr selbst hören«, hatte Max vernünftigerweise erwidert.
»Sie ist eine unerfahrene junge Frau«, entgegnete Macmil Ian. »Und sie ist zu höflich, dir zu bedeuten, wie abstoßend dein viehischer Humor auf sie wirkt.«
Bis zu diesem Moment hatte Max sich köstlich amüsiert. »He, wie kommst du denn da rein, Commander?«, fragte er, nachdem er vorher noch schnell eine weitere >Margarita< vernichtet hatte. »Ist sie dein privates Maträtzchen, oder was?«
Ian Macmillan war puterrot angelaufen. »Mister Puckert«, stieß der Raumschiffkapitän nach einer Weile hervor, »sollte sich dein Benehmen nicht bessern, würde ich mich gezwungen sehen, dich in deinem Quartier unter Arrest zu stellen.«
Dieser Zusammenstoß hatte Max den ganzen schönen Abend verdorben. Dass der Commander sich in einer Angelegenheit, die doch ganz klar etwas Privates war, auf seine offizielle Autorität berief, das wurmte ihn heftig. Max kehrte in seine Kabine zurück, die er mit einem anderen US-Amerikaner teilte, einem tiefsinnigen Forstmenschen aus dem Staate Oregon namens Dave Denison, und leerte dort im Eiltempo eine ganze Flasche Tequila. Und in seiner Trunkenheit wurde Max dann sowohl von einer Depression wie von Heimweh überfallen. Also entschloss er sich, ins ComCenter zu gehen und seinen Bruder, Clyde daheim in Arkansas anzurufen.
Inzwischen war es sehr spät. Um bis in den Kommunikationskomplex zu gelangen, musste Max das ganze Schiff durchqueren, vorbei an dem Gemeinschaftssalon, in dem die Par ty gerade die letzten Alkoholleichen ausgespuckt hatte, und dann an den Quartieren der Schiffsoffiziere vorbei. Im Hauptflügel erhaschte Max einen flüchtigen Blick auf Ian Macmillan und Angela Rehdino, die — Arm in Arm — gerade die Privatkabine des Commanders betraten.
»Also, dieser Saukerl!«, knirschte Max in sich hinein. Dann patrouillierte er vor Macmillans Tür auf und ab und wurde dabei immer wütender. Nach fünf Minuten kam ihm eine — wie er fand — brillante Idee. Er erinnerte sich an seine Tage an der University of Arkansas und an seinen Sieg im Schweineruf- Wettbewerb, und er zerschnitt die nächtliche Stille mit einem durchdringenden Geschrei: »Suuusiii ... Quiek ... quiek ... quick!!!« Und wiederholte den Lockruf noch einmal, ehe er blitzartig verschwand, gerade noch rechtzeitig, bevor jede Kabinentür (einschließlich der von Commander Macmillan) aufflog, weil alle Insassen dem Lärm auf die Spur kommen wollten. Und Commander Macmillan war keineswegs sehr erfreut darüber, dass sein gesamter Stab ihn — und Signorina Rendino dazu — in einem Zustand durchaus unzureichender Bekleidetheit erblickte.
Für Kenji und Nai war der Marsflug so etwas wie erneuerte Flitterwochen. Beide hatten nur wenig zu tun. Die Reise verlief relativ ereignislos — jedenfalls vom Standpunkt des Historikers aus, und Nais Aufgaben waren geringfügig, da die
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