Die nächste Begegnung
diskret-teuren Diamantenkette ein überdimensionaler Saphirsolitär. Das trägerlose Kleid war weiß und schmiegte sich faltenreich und mit raffinierten Plissees durchaus vorteilhaft und provokativ um diesen immer noch jugendlich wirkenden Leib. Kenji jedenfalls vermochte in diesem Augenblick nicht zu glauben, dass diese Person da siebzig Jahre alt sein sollte.
Sie sagte, sie habe ganz schnell ein »kleines Abendessen, ihm zu Ehren« arrangiert, ergriff ihn bei der Hand und führte ihn durch den Raum zu den Tapisserien, die an der gegenüberliegenden Wand prangten. »Kennst du dich mit Aubusson aus?«, fragte sie. Und als er kopfschüttelnd verneinte, stürzte Francesca sich in umschweifige Erläuterungen über die Geschichte der Teppichkunst in Europa.
Eine halbe Stunde später nahm Francesca an der Stirnseite der Tafel Platz. Die anderen Gäste waren: ein Musikprofessor aus Neapel nebst Frau (angeblich Schauspielerin), zwei hübsche dunkle Profi-Fußballer, der Kurator der Pompejanischen Ausgrabungsstätten (ein Frühfünfziger), eine nicht mehr ganz jugendliche italienische Dichterin und zwei bezaubernd attraktive Mittzwanzigerinnen. Nach kurzem Geflüster mit Francesca platzierte sich die eine von ihnen Kanji gegenüber, die andere neben ihn.
Anfangs blieb der Sessel am Fuß des Tischs, Francesca gegenüber, leer. Dann flüsterte die Gastgeberin ihrem Butler etwas zu, und fünf Minuten später wurde ein sehr alter, halbgelähmter, fast blinder Gentleman hereingeführt. Kenji erkannte ihn sofort: Es war Janos Tabori.
Das Mahl war exquisit, die Gespräche lebhaft. Serviert wurde von menschlichem Personal, nicht von Robotern, wie man sie sonst (außer in den allerversnobtesten Restaurants) überall benutzte. Und was für eine bemerkenswerte Tischgesellschaft! Sogar die Fußballer sprachen ein passables Englisch, interessierten sich für die Geschichte der Raumfahrt und verstanden auch ein wenig davon. Die junge Lady Kenji gegenüber hatte sogar das populärste seiner Bücher, das über die Anfänge der Erforschung des Mars, gelesen. Kenji war damals dreißig Jahre alt, unverheiratet, und im weiteren Verlauf des Abends schwanden seine Hemmungen mehr und mehr dahin. Alles stimulierte und reizte ihn — die Frauen, die Gespräche über geschichtliche Ereignisse, über Poesie, über Musik.
Nur einmal im Verlauf der zweistündigen Tafelfreuden wurde das nachmittägliche Interview überhaupt erwähnt. Als nach dem Dessert und vor den Cognacs die Gespräche ein wenig abflauten, rief Francesca (mit beinahe kreischender Stimme) Janos Tabori über die Tafel hin an: »Dieser junge Gentleman da aus Japan — und er ist ein höchst brillanter Kopf, musst du wissen — ist überzeugt, dass er in Nicoles PC Beweise gefunden hat, durch welche diese schauderhaften Lügen gestützt werden, die David in die Welt gesetzt hat, kurz bevor er starb. «
Janos gab dazu keinen Kommentar, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich überhaupt nicht. Doch als die Tafel aufg ehoben wurde, steckte er Kenji einen Zettel zu und verschwand. >Sie kennen nichts als die Wahrheit, und es gebricht Ihnen an Zartgefühl, stand da. > Und darum ist Ihr Urteil ungerecht ... — Aglaja zu Fürst Myshkin; Dostojewski, Der Idiot.
Kenji war keine zehn Minuten wieder auf seinem Zimmer, als es an der Tür klopfte. Er öffnete und sah sich der jungen Italienerin gegenüber, die beim Essen auf der anderen Seite des Tisches gesessen hatte. Sie hatte nur einen winzigen Bikini an, und ihr außergewöhnlicher Körper war so fast nackt. In einer Hand hielt sie ihm eine Männerbadehose entgegen.
»Ach, Mister Watanabe«, forderte sie ihn mit eindeutig sexuellem Verführungslächeln auf, »warum kommst du nicht mit uns, bitte. Wir wollen baden. Das da müsste dir passen.«
Kenji durchströmte sofort sexuelle Erregung. Da deren äußerliche Anzeichen nicht gleich wieder verschwanden, wartete er nach dem Umkleiden eine Weile, ehe er sich zu der Frau gesellte, die vor seiner Zimmertür im Flur wartete.
Und sogar jetzt noch, drei Jahre danach und neben seiner geliebten Frau im Bett liegend, hier in New Eden, war es Kenji unmöglich, ohne erneute sexuelle Erregung an diese Nacht in Francescas Palazzo zurückzudenken. Zu sechst waren sie mit der funiculare zur Bucht hinuntergefahren und hatten dort im Mondschein gebadet. In der cabana am Strand hatten sie weitergetrunken und getanzt und miteinander gelacht. Es war eine traumhaft schöne Nacht.
Keine Stunde später,
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