Die nächste Begegnung
Nicole, rollte sich dicht an ihn heran und tastete nach seiner Hand unter der Bettdecke. »Ich hätte dir das mit Hen ry schon vor Jahren sagen müssen ... Bist du immer noch zornig?«
»Ich war überhaupt nie zornig«, sagte Richard. »Überrascht ja, vielleicht sogar richtig überrumpelt. Aber nicht zornig. Du hattest deine Gründe gehabt, es für dich zu behalten.« Er drückte ihre Hand. »Außerdem, das war daheim auf der Erde und in einem ganz anderen Leben. Wenn du es mir gesagt hättest, als wir uns kennen lernten, hätte es vielleicht eine Rolle gespielt. Vielleicht wäre ich eifersüchtig gewesen, und höchstwahrscheinlich hätte ich mich deiner nicht würdig gefühlt. Aber jetzt nicht mehr.«
Nicole beugte sich über ihn und gab ihm einen Kuss. »Ich liebe dich, Richard Wakefield«, sagte sie.
»Ich liebe dich auch«, sagte er.
Kenji und Nai liebten sich zum ersten Mal wieder seit der Ausschiffung aus der Pinta, und Nai schlief sofort danach ein. Kenji aber war noch erstaunlich wach. Er lag da und dachte über den Abend mit den Wakefields nach. Aus irgendeinem Grund tauchte auf einmal das Bild der Francesca Sabatini in ihm auf. Die schönste siebzigjährige Greisin, die ich jemals gesehen habe, war sein erster Gedanke. Und was für ein phantastisches Leben .. .
Er erinnerte sich noch ganz deutlich an den Sommernachmittag, als sein Zug in den Bahnhof in Sorrent einfuhr. Der Fahrer des Elektrotaxis wusste bei der Adresse sofort Bescheid. »Capisco«, sagte er und wedelte mit beiden Händen, ehe er in Richtung auf den >Palazzo Sabatini< losschoss.
Francesca Sabatini bewohnte ein zur Residenz umgewandeltes Hotel über dem Golf von Neapel. Es handelte sich um einen bescheidenen Bau mit zwanzig Zimmern, der ursprünglich im siebzehnten Jahrhundert einmal einem Fürsten gehört hatte. Aus dem Büro, in dem Kenji auf das Erscheinen der Signora wartete, hatte er einen Blick auf eine funicolare, die Badesüchtige über den Steilhang zu der dunkelblauen Meeresbucht beförderte.
Die Signora verspätete sich um eine halbe Stunde und zeigte dann sehr rasch ihre Ungeduld, das Interview möglichst rasch hinter sich zu bringen. Zweimal sagte sie Kenji unverblümt ins Gesicht, sie habe sich nur dazu bereitgefunden, überhaupt mit ihm zu sprechen, weil ihr Verleger ihr erklärt habe, Kenji sei »ein hervorragender junger Autor«. In ihrem exzellenten Englisch sagte sie: »Um ehrlich zu sein, ich finde inzwischen alle Diskussionen über die Newton stinklangweilig.«
Allerdings wuchs ihr Interesse an dem Gespräch beträchtlich, als Kenji ihr eröffnete, dass er neue Daten gefunden habe und die Aufzeichnungen von Nicoles PC, die während der letzten abschließenden Wochen der Mission im »trickle mode«-Verfahren zur Erde gesendet worden seien. Daraufhin war Francesca still geworden, sogar sehr nachdenklich still, besonders als Kenji Nicoles interne Notizen in Zusammenhang brachte mit dem >Geständnis<, das Dr. Brown vor dem Reporter im Jahre 2208 abgelegt hatte.
»Ich habe dich wohl unterschätzt«, sagte damals Francesca lächelnd, als Kenji sie fragte, ob sie nicht auch finde, dass es bemerkenswert auffällige Koinzidenzen gebe zwischen dem Newton-Tagebuch der Nicole des Jardins und dem Geständnis Dr. Browns. Sie gab keine direkte Antwort auf seine Fragen. Stattdessen sprang sie plötzlich auf, nötigte ihm die Zusage ab, abends ihr Gast zu sein, und vertröstete ihn auf später, wenn sie »über das alles reden« würden.
Als es zu dämmern begann, erreichte Kenji die Nachricht, dass man um halb neun dinieren werde und dass >formeller Anzug< erwünscht sei. Zu gegebener Zeit erschien ein Roboter-Butler und geleitete Kenji in ein wundervolles Speisezimmer voller Wandgemälde und Tapisserien, funkelnder Kronleuchter und kunstfertiger Stuckaturen. Es war für zehn Gäste gedeckt. Francesca erwartete ihn bereits neben einem kleinen Roboserver am Ende des übertrieben großen Raums.
»Kon ban wa, Watanabe-san«, sagte seine Gastgeberin und reichte ihm ein Glas Champagner. »Ich lasse gerade die Gesellschaftsräume renovieren, darum werden wir leider unsre Cocktails hier trinken müssen. Natürlich alles tres gauche, wie man in Frankreich sagen würde, aber wir müssen uns leider damit begnügen.«
Francesca Sabatini sah phantastisch aus. Die hellblonden Haare türmten sich auf ihrem Kopf und wurden von einem geschnitzten Kamm gehalten. Um den Hals trug sie ein Diamantenband, und darunter baumelte an einer
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