Die Nächte der Aphrodite
farblos. Mit etwas Puder bemerkt niemand mehr etwas davon - wenn es das ist, was Ihr wollt. Aber im Grunde habt Ihr das nicht nötig. Ihr verfügt über eine starke Persönlichkeit. Benutzt sie statt Puder und Schminke, sie ist wesentlich effektiver.«
Elaine konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Dieser Rat kommt ausgerechnet von Euch, Euer Gnaden?«
Der Herzog spitzte affektiert die Lippen und zog seinen Fächer aus der Tasche. »Was habe ich Euch über Lektion zwei erzählt?«
»Verzeiht. Ich werde versuchen, meine Zunge im Zaum zu halten«, erwiderte Elaine zerknirscht.
»Schön, wenn Ihr dabei den Blick senkt und etwas Demut in Eure Stimme legt, bin ich fast geneigt, Euch zu glauben, Mademoiselle Callière.«
Elaine versuchte es ein zweites Mal. »Danke für Eure Hilfe, Euer Gnaden. Ich werde in Zukunft daran denken.«
»Gut.« Der Herzog räusperte sich und bewegte den Fächer mit geradezu aufreizender Dekadenz. »Persönlich ziehe ich unverblümte Worte schleimigen Schmeicheleien vor, aber die Gesellschaft legt einen anderen Maßstab an. Deshalb tut Ihr gut daran, Euch im Kreuzen der Klingen zu üben, bis Ihr wisst, wer Eure Freunde sind und wer Eure Feinde.«
Elaine nickte und suchte nach einer passenden Erwiderung, musste allerdings bald feststellen, dass der Herzog wieder die Augen geschlossen hatte und den Eindruck erweckte, als befände er sich in einem tiefen Schlummer, aus dem er nicht geweckt werden wollte.
Also blickte sie aus dem Fenster und versuchte, alle einschüchternden Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen, zu ignorieren. Was nicht einfach war, weil sie nicht einmal wusste, wie lange sie unterwegs sein würden, bis sie die Besitzungen des Herzogs erreichten. Die Sonne hatte den höchsten Stand längst überschritten, als sich ihr Gegenüber bequemte, die Augen zu öffnen. Gähnend streckte er die Arme über den Kopf, blickte zunächst aus dem Fenster und zog dann eine Taschenuhr aus seiner Westentasche.
»Eine Rast lohnt sich nicht mehr, Mademoiselle Callière. In einer guten Stunde sind wir auf Belletoile.« Er musterte Elaine prüfend. »Es sei denn, Ihr verspürt gewisse körperliche Bedürfnisse, die nicht warten können.«
Elaine schüttelte hastig den Kopf. »Danke für Eure Fürsorge, aber mir geht es gut.«
»Schön, ich war kein guter Gesellschafter, aber Kutschenfahrten haben immer eine sehr einschläfernde Wirkung auf mich.« Er gähnte erneut, glättete dann das Haar der Perücke und zupfte die Manschetten zurecht. »Aber da ich jetzt wach bin, würde ich gerne mehr über Euch erfahren, Mademoiselle Callière.«
Elaine verschränkte die Finger ineinander und begann zu erzählen. Sie wusste nicht, ob der Herzog aus wirklichem Interesse lauschte und deshalb immer wieder Zwischenfragen stellte oder es nur vorgab, um höflich zu wirken. Gerade, als sie bei dem Brief ankam, den Marie geschrieben hatte, hielt die Kutsche mit einem heftigen Ruck an, der Elaine beinahe von der Bank beförderte.
Laute Worte drangen an ihr Ohr, aber als sie aus dem Fenster spähte, konnte sie nichts Ungewöhnliches entdecken. Der Herzog öffnete den Wagenschlag und stieß das Treppchen mit dem Fuß nach unten, ehe er ins Freie stieg. Elaine folgte ihm.
Der Kutscher und der Reitknecht standen vor den Pferden und blickten mit den Händen in den Manteltaschen auf eine quer über dem Weg ausgestreckt daliegende Gestalt. Der Herzog ging an den beiden vorbei und kniete sich - ungeachtet seiner hellen, mit Spitzen und Schleifchen verzierten Hosen - neben dem Mann nieder.
Elaine ließ ihre Blicke über das blasse Gesicht und das dichte blonde Haar wandern. Die Jacke aus feinem dunklem Tuch stand offen, die Spitzen des blütenweißen Hemdes bewegten sich sacht im Wind. Der Herzog drückte seine Finger auf den Hals des Mannes und schlug ihn dann leicht ins Gesicht. »Er lebt, und ich sehe keine blutenden Wunden«, sagte er über die Schulter zu den Umstehenden. »Er ist offenbar nur bewusstlos. Vielleicht ist er gestürzt, oder sein Pferd hat gescheut und ihn abgeworfen.«
»Bringt mir die Wasserflasche«, befahl Elaine und kniete sich auf der anderen Seite neben dem Mann nieder. Während der Kutscher tat wie ihm befohlen, riss sie ein Stück Stoff von ihrem Unterrock. Der Herzog öffnete die Wasserflasche, die ihm der Kutscher brachte und reichte sie Elaine, die das Leinenstück befeuchtete. Damit tupfte sie die Schläfen und das Gesicht des Mannes ab. Er war glatt rasiert, und sie atmete den
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