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Die Narbe

Die Narbe

Titel: Die Narbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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Neugeborenenstation im Krankenhaus nicht geweckt hätte.«
    Gerald lächelte pflichtschuldig. Er dachte an Franziska. Er musste sie unbedingt sprechen, heute noch. Vielleicht würde er morgen nicht die Zeit haben vor der Gruppentherapie.
    »Du rufst jetzt den Guru von deiner Quasselgruppe an und vereinbarst einen Termin«, sagte Batzko auf dem Weg zum Büro. »Und ich kümmere mich um diesen Steinhaus.«
    Gerald wählte Chateauxs Nummer. Es klingelte mehrmals, bis sich eine Frauenstimme meldete, eine sehr junge Frauenstimme.
    »Hier bei Dr. Chateaux. Wie geht es Ihnen? Kann ich Ihnen helfen?« Die Stimme hatte einen unverkennbaren slawischen Akzent. Ihre Aussprache war hart und etwas abgehackt.
    »Kann ich bitte Herrn Chateaux sprechen? Oder seine Frau?«
    »Der Doktor ist nicht da. Er ist den ganzen Abend fort. Kommt sehr spät zurück. Frau – ist gar nicht da. Lebt nicht hier.«
    Gerald nannte seinen Beruf und fragte, wer sie sei.
    Die Nervosität der jungen Frau war plötzlich so spürbar, als wäre sie durch die Telefonleitung gekrochen. »Ich bin Au-pair-Mädchen (es klang wie: Opärrr) aus St. Petersburg. Alle Papiere in Ordnung. Ich mache Haus und beide Kinder.«
    Warum reagiert sie so?, dachte Gerald. Ist sie hier nicht gemeldet und Chateaux lässt sie schwarzarbeiten?
    »Natürlich. Ich rufe nicht Ihretwegen an. Ich möchte Herrn Chateaux in einer ganz anderen Angelegenheit sprechen.«
    »Doktor beginnt Sprechstunde morgen um neun. Vorher Frühstück.«
    »Richten Sie ihm bitte aus, dass er das Frühstück vorziehen soll. Um acht Uhr werde ich mit einem Kollegen bei ihm sein.«
    »Guttt«, sagte sie und hängte schnell auf.
    Während Batzko im Internet die Kontaktdaten von Harald Steinhaus recherchierte, konnte Gerald nachlesen, was die Kollegen von der Ersterfassung bereits unter dem Aktenzeichen für den Mordfall Arno Reuther eingetragen hatten. Die Befragung der weiteren Mieter nach möglichen Zeugen war abgeschlossen, ohne konkrete Ergebnisse. Die Befragten betonten übereinstimmend, dass jederzeit Menschen in dem Gebäude ein und aus gehen konnten, ohne von anderen bemerkt zu werden. Der einzige Anhaltspunkt blieb jener unbekannte Mitarbeiter eines Paketdienstes mit einer äußerst vagen Personenbeschreibung (zwischen zwanzig und fünfunddreißig Jahre alt, mittelgroß, mit kurzen Haaren und einer kräftigen Statur). Anrufe bei den hiesigen Paketdiensten und entsprechende Nachfragen bei allen Mietern, Gastronomiebetrieben und weiteren Geschäften im Behnisch-Haus hatten jedoch keinen solchen Lieferauftrag bestätigen können.
    »Steinhaus wohnt natürlich in Düsseldorf, wo die Banken in den Himmel wachsen«, sagte Batzko.
    »Ich brauche dringend einen Liter Kaffee.«
    »Für mich reicht eine Tasse. Danke, Kumpel.«
    Gerald musste frischen Kaffee aufsetzen. Als er schließlich mit zwei Bechern zurückkam, legte Batzko gerade den Telefonhörer auf. »Steinhaus ist zurzeit in Hamburg. Ich habe ihn auf dem Handy erreicht.«
    »War er geschockt?«
    »Nein. Absolut nicht. Er wirkte gefasst. Und das ist doch erstaunlich. Unabhängig von der Frage, ob die beiden sich menschlich nahestanden, riskiert er doch einen erheblichen finanziellen Verlust, wenn Reuther das Internet-Genie war, mit dem die Firma steht und fällt. Mag ja sein, dass diese Typen, die mit Millionen jonglieren wie unsereins mit zehn Euro, extrem cool sind. Aber er hat in keiner Sekunde die Fassung verloren.«
    »Wann kommt er zurück?«
    »Morgen Mittag. Er hat behauptet, gegen halb zehn das Behnisch-Haus verlassen zu haben, weil er zum Flughafen nach Düsseldorf musste. Reuther war allein, als Steinhaus kam, und allein, als Steinhaus ging. Irgendwelche Beobachtungen will er nicht gemacht haben. Auch hat er keinen Paketauslieferer oder irgendeine andere Person auf dem Flur oder im Treppenhaus gesehen.«
    »Dann werden wir vormittags nach unserem Gespräch bei Chateaux direkt zu Marleen Kattowitz gehen, weil sie da noch allein sein dürfte. Danach Steinhaus hier im Präsidium.«
    Batzko nickte. »Hör zu, Kumpel, du siehst reichlich kaputt aus. Lass mich das hier machen. Ich schreibe das Protokoll und übernehme morgen früh die Dienstbesprechung. Du stopfst dir Ohropax in die Lauscher, und wir sehen uns morgen dann um acht bei dem Psychofritzen. Hört sich doch nach was an, oder?«
    Gerald wusste aus Erfahrung, dass Batzko das Wort »Kumpel« dann verwendete, wenn er unter dem Deckmantel der Kollegialität seine Interessen durchsetzen

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