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Die Narbe

Die Narbe

Titel: Die Narbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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erkennbare teure Aktentasche hinter seinem Schreibtisch hervorholte und sie Steinhaus reichte. Der stellte sie so akkurat neben den Stuhl, als säße er in der Straßenbahn. Anschließend putzte er weiter mit dem Taschentuch seine Finger.
    »Wie und wann haben Sie Herrn Reuther eigentlich kennengelernt?«
    Steinhaus zögerte seine Antwort ein wenig hinaus. »Das war vor gut einem Jahr, in Düsseldorf, auf einer Messe für innovative Existenzgründungen. Herr Reuther hat sein Konzept für Datenverschlüsselungen im Internet vorgestellt. Wir haben uns danach noch mehrmals getroffen, und ich habe beschlossen, ihm zu helfen. Das ist alles. Reine Routine«, ergänzte er mit einem Seitenblick auf Batzko.
    »Sie haben ihm also Kapital für eine Firmengründung zur Verfügung gestellt. Eigenes Kapital oder haben Sie zwischen Herrn Reuther und anderen Geldgebern wie Banken oder bestimmten Fonds vermittelt?«
    »Eigenes Kapital. Ausschließlich.«
    »Also auch Ihr eigenes Risiko. Ausschließlich«, sagte Batzko und drehte sich so, dass er Steinhaus frontal gegenübersaß.
    »No risk no win«, sagte Steinhaus knapp.
    »Börsen-Sprüche verstehe ich auch, vielen Dank«, sagte Batzko. »Aber ich hätte gerne gewusst, wie Sie in relativ jungen Jahren so viel Spielgeld zusammenbekommen haben. Gehören Sie zur glücklichen Erbengeneration?«
    Steinhaus blickte sich wieder im Zimmer um, stand dann plötzlich auf und warf das Taschentuch in den Papierkorb unter dem Waschbecken.
    »Ich habe über zehn Jahre in Frankfurt und London als Broker gearbeitet. Wie Sie sicherlich wissen, verbringt man als Broker achtzehn Stunden am Tag vor dem PC mit einem Berg an Pappbechern und Pizzakartons, weil die Zeit so knapp bemessen ist, dass man nicht einmal zum Essen den Arbeitsplatz für ein paar Minuten verlassen kann.«
    »Sie haben mein tief empfundenes Beileid«, sagte Batzko knapp.
    Steinhaus ignorierte die Bemerkung. »Die Kunst in dieser Beschleunigungsmaschine namens Börse liegt darin, rechtzeitig aufzuhören und die eigenen Millionen von der Spielfläche zu nehmen. Andernfalls stapelt man für den Rest seines Lebens Pizzakartons, weil man sich anderes nicht mehr leisten kann. Das Timing für den rechtzeitigen Absprung muss man im Urin haben.«
    »Ich zweifle keine Sekunde daran, dass Sie den perfekten Moment erwischt haben«, sagte Batzko.
    Steinhaus schob den Unterkiefer vor und kniff die Lippen zusammen. Sein Blick verlor sich im Raum. Batzko hatte seine selbstgewisse Performance ins Leere laufen lassen, und nun sah Gerald einen noch sehr jungen Mann in einem zu eleganten Anzug, der mit diesem Widerstand nicht souverän umgehen konnte.
    »Hören Sie«, sagte Steinhaus schließlich, »ich tanze bei Ihnen zum für mich frühestmöglichen Zeitpunkt an, ich mache mir die Finger schmutzig, im wahrsten Sinne des Wortes, ich kooperiere, ich beantworte Ihre Fragen. Sie müssen weder mich noch meinen früheren Beruf mögen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihre abschätzige Art einen konstruktiven Beitrag zur Lösung eines Verbrechens darstellt.«
    Batzko drückte sich gegen die Rückenlehne, seine Augen wurden schmal. Gerald beschloss, seinem Kollegen die Chance zu geben, sich erst einmal abzukühlen.
    »Ist die Firma von Arno Reuther die einzige, die Sie mit Kapital versorgt haben?«
    »Nicht die einzige«, antwortete Harald Steinhaus und wandte sich demonstrativ Gerald zu, »aber die einzige in dieser Größenordnung. Ein beträchtlicher Teil meines Vermögens ist dort festgelegt.«
    »Ich vermute, dass Sie als Kapitalgeber die Geschäftspolitik mitbestimmen konnten?«
    »Nun, ich zahle das Saatgut, also möchte ich auch angemessen an der Ernte beteiligt werden. Es wäre aber unklug gewesen, mich zu stark in das operative Geschäft einzumischen. Herr Reuther war absoluter Experte auf dem Gebiet der Verschlüsselungstechnologie. Und er war ein Softwaregenie. Davon gibt es einige, aber bei denen wissen Sie nie, ob die nicht morgen ausflippen, Anarchist oder Schafzüchter in Griechenland werden. Herr Reuther war hochintelligent und verfügte über eine gewisse Nüchternheit und Ausdauer, die man braucht, wenn man in einem extrem umkämpften Markt seinen Claim abstecken will.«
    »Wie haben Sie Ihr Kapital abgesichert? Kann ich mir das so vorstellen, dass Herr Reuther sich vertraglich verpflichten musste, die Patente in der Firma zu lassen, selbst wenn es zwischen Ihnen zum Bruch gekommen wäre?«
    »Es gibt nur eines, gegen das Sie sich

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