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Die Narbe

Die Narbe

Titel: Die Narbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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nicht absichern können, und das ist der Misserfolg. Gegen alles andere habe ich vorgesorgt. Die Patente bleiben in der Firma, sie bilden das, wenn Sie so wollen, intellektuelle Kernkapital von Intersafe . Herr Reuther und ich saßen im selben Boot, und auf hoher See empfiehlt es sich nicht, das Boot zu verlassen.«
    »Das gilt also auch für den Todesfall, wie er jetzt eingetreten ist?«
    Steinhaus zögerte mit einer Antwort. Seine rechte Hand umschloss, als suchte sie Halt, den Griff der Aktentasche. Der Handgriff war so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Dann nickte Harald Steinhaus und senkte den Blick.
    »Gab es eigentlich einen besonderen Grund für das letzte Treffen im Büro von Herrn Reuther?«
    »Nein«, sagte Steinhaus schnell, »reine Routine. Es ging um Neueinstellungen, die personelle Entwicklung, die Frage eines Börsengangs zu einem bestimmten Zeitpunkt. Nichts Besonderes also.«
    »Welchen Eindruck hatten Sie von Herrn Reuther an besagtem Vormittag? War er vielleicht nervös? Sprach er möglicherweise von seiner Gesundheit, einer möglichen Operation?«
    »Operation? Wieso Operation? War er etwa krank? Davon hat er nie etwas gesagt. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber natürlich hätte ich ganz andere Überlegungen bezüglich einer Finanzierung angestellt, wenn ich gewusst hätte, dass Herr Reuther ernsthaft erkrankt ist. Er hätte mich unbedingt darüber informieren müssen.«
    »Sie haben ihn also nicht anders erlebt als sonst?«
    »Nein. Ganz und gar nicht. Herr Reuther war wie immer. Introvertiert zwar, aber das schien mir seine Grundstimmung zu sein. Dabei hatte er einen subtilen Humor. Es war bestechend und intellektuell herausfordernd, mit ihm zu arbeiten, auch an diesem Vormittag. Ich wiederhole: eine Routinebesprechung, wie zahlreiche zuvor.«
    »Und es gab keinen weiteren Besucher? Keiner, der sich in der Tür geirrt hätte? Keine Putzfrau? Kein Paketdienst? Nicht einmal ein Telefonat?«
    »Das habe ich Ihrem Kollegen doch bereits gesagt«, antwortete Steinhaus, ohne Batzko anzuschauen.
    Gerald trank einen Schluck Kaffee. »Verzeihung, möchten Sie vielleicht auch etwas trinken?«
    Steinhaus schüttelte entschieden den Kopf, als fürchtete er, damit seine Anwesenheit zu verlängern.
    »Wie geht es jetzt eigentlich in der Firma weiter, Herr Steinhaus?«
    »Nun«, antwortete Steinhaus, »allein aus juristischen Gründen muss dieser Fall ja für den Vertrag mitgedacht werden. Es kann schließlich jedem passieren, im falschen Moment die Straße zu überqueren. Als Fachmann ist Arno Reuther schwer von jemand anderem zu ersetzen. Es wird wohl darauf hinauslaufen, seine überragenden Kompetenzen auf mehrere Schultern zu verteilen. Herr Reuther hatte bereits die ersten Personalgespräche geführt und mich darüber unterrichtet. Es gibt einen engen Bewerberkreis, den ich kenne. Ich fange also nicht bei null an. Und die Patente bleiben, wie erwähnt, in der Firma, also bei mir.«
    »Wie lange reicht Ihr finanzieller Atem?«
    Steinhaus zögerte. Wieder umfasste er den Griff seiner Aktentasche, als wollte er aus dem Büro flüchten. Er wirkte nervös, als er mit auffallend lauter Stimme fortfuhr: »Ich rechne nicht in Tagen oder Wochen oder Monaten. Der Kalender ist die Denkweise der Verlierer. Wer nach vorne auf das Ziel schaut, wird es erreichen. Wer den Blick senkt auf die Mühen des Weges, wird scheitern.«
    »Amen«, blaffte Batzko.
    Und Gerald sagte: »Für heute habe ich keine Fragen mehr. Halten Sie sich bitte in der nächsten Zeit zu unserer Verfügung.«
    Steinhaus stand auf. Er nickte den Kommissaren zu und verließ den Raum, ohne ihnen die Hand zu schütteln.
    »Freunde fürs Leben, nicht wahr?«, sagte Gerald trocken.
    Batzko drückte sich tief in die Lehne und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Du hättest ihn beim Erkennungsdienst erleben müssen. Er hat so getan, als würde er anschließend dreißig Jahre Hochsicherheitstrakt erleiden müssen. Außerdem mag ich solche Typen nicht, die vor einem Computer hocken, auf Tasten drücken, irgendwelche virtuellen Aktienpakete von links nach rechts verschieben und am Ende eines einzigen Tages mehr verdienen als ein Handwerker in einem ganzen Jahr.«
    »Höre ich da etwa Neid heraus?«
    »Ach, leck mich. Der Typ stinkt doch wie sein Rasierwasser.«
    Gerald stand auf und öffnete das Fenster. Auf Batzkos Tisch lag die aufgeschlagene Tageszeitung. MORD AN COMPUTERGENIE BLEIBT MYSTERIÖS. STECKT EINE INTERNET-MAFIA DAHINTER?

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