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Die Narbe

Die Narbe

Titel: Die Narbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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haben Ihr Mann und der alles und alle seligmachende Dr. Chateaux getroffen?«
    »Potent, sagen Sie.« Sie schaute Batzko direkt an und fuhr mit erstaunlicher Selbstsicherheit fort, als würde sie sich auf all das, was Chateaux ihr vermittelt hatte, nun berufen können: »Ich nehme an, Sie halten sich selbst für extrem potent, nicht wahr? Sexuelle Attraktivität als Multiplikation aus Muskelmasse, Brusthaaren und dem Zynismus und Chauvinismus, den Sie hier an den Tag legen. So stellen Sie sich das wohl vor. Wissen Sie, wie im Alten Testament der Liebesakt beschrieben wird? Er erkannte sie , so heißt es dort. Das ist für mich die erotischste Eigenschaft überhaupt: erkannt zu werden. Aber lassen wir das, ich bezweifle sehr, dass Sie und ich in dieser Frage jemals einen gemeinsamen Nenner finden.« Sie wandte den Blick von Batzko ab, dem vor Überraschung die Kinnlade heruntergefallen war. »Ich bin Ihren Fragen nicht ausgewichen. Ich kann sie nur nicht beantworten. Wir wären gar nicht in der Lage gewesen, eine konkrete Entscheidung zu treffen. Wie stellen Sie sich das vor? Es geht doch nicht darum, Prospekte auf dem Tisch zu verteilen und nach einer Stunde den Wohnzimmertisch auszuwählen. Wir wollten uns Zeit geben. Die Nacht war wie ein reinigendes Gewitter gewesen. Nun wollten wir, dass sich alles erst wieder beruhigt. Es ging doch schließlich um die Wegstellungen für unsere gemeinsame Zukunft!«
    »Frau Reuther«, hakte Gerald nach, »haben Sie am Mittwochmorgen Dr. Chateaux in der Stadt getroffen? Haben Sie oder er oder Sie beide Ihren Mann in seinen Geschäftsräumen aufgesucht, nachdem Herr Steinhaus gegangen war?«
    »Was soll das? Werde ich jetzt verdächtigt? Glauben Sie, dass ich den Mann umgebracht habe, den ich geliebt habe? Und das nach dem, was wir alles durchgestanden haben, nachdem wir uns so rückhaltlos geöffnet haben, wie sich nur zwei Menschen öffnen können? Sie wissen ja nicht, was Sie sagen.«
    »Frau Reuther, wir müssen Sie das fragen, es gibt keinen Grund zur Aufregung. Also bitte antworten Sie nur auf die Fragen, die Ihnen gestellt wurden.«
    Katja Reuther gewann ihre Selbstkontrolle wieder. »Gut. Ich verstehe. Sie tun ja nur Ihre Pflicht. Warum soll ich es Ihnen auch nicht sagen? Dirk und ich haben uns gegen neun Uhr in einem Café in der Innenstadt getroffen. Nicht bei ihm, nicht bei mir, sondern in der Innenstadt, an einem neutralen Ort. Wir wollten reden, uns über die neue Situation austauschen.«
    »Ohne eine Entscheidung getroffen zu haben?«
    »Ohne eine Entscheidung getroffen zu haben.«
    »Was ist mit dem Geld, das Arno Herrn Chateaux bereits gegeben hatte?«
    Sie schaute hinaus in den Garten, zur Schaukel. »Arno hat es nur kurz erwähnt. Ich glaube, er wollte es zunächst zurückverlangen, einfach, um sozusagen alles auf null zu stellen. Er hat angedeutet, dass er sich vielleicht dennoch zu einer baldigen Operation entschließen könnte, aber er wollte, um klar zu sehen, eine neutrale Ausgangsposition herstellen.«
    »Wann haben Sie sich wieder getrennt?«
    »Ich weiß nicht. Gegen zehn Uhr, nehme ich an. Ich habe noch Einkäufe gemacht und bin dann nach Hause gefahren.«
    »Wir werden das nachprüfen, Frau Reuther. Und Sie haben Ihren Mann nicht in seinem Büro aufgesucht?«
    Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Nein, wie ich Ihnen schon sagte. Ich habe meinen Mann nicht gesehen.«
    Gerald und Batzko verständigten sich mit einem kurzen Blick. »Wir überlassen Sie jetzt Ihren Aufgaben und Verpflichtungen«, sagte Gerald. »Halten Sie sich bitte weiter zu unserer Verfügung. Wir gehen davon aus, dass Sie die Stadt in den kommenden Tagen nicht verlassen.«
    Sie nickte und erhob sich nicht von ihrem Platz, als die Kommissare das Zimmer verließen.
    Während der Fahrt tastete Gerald in der Innentasche seine Jacke nach dem Zettel, den Nele auf den Küchentisch gelegt hatte. Am Vorabend hatte er sich im Schwimmbad so ausgepowert, dass er beim Haarewaschen die Arme kaum über die Schultern hatte heben können. Anschließend hatte er im Auto gesessen und eine CD von Chet Baker gehört, bevor er in seine Wohnung zurückgekehrt war, in der kein Licht mehr gebrannt hatte. »Bin abends ab sechs Uhr verabredet. N.« Dieser eine Satz in ihrer engen, akkuraten Handschrift. Eine Kampfansage. Er spürte in diesem Moment denselben Stromschlag, der ihn beim ersten Lesen der Nachricht durchzuckt hatte. Gerald war schon immer sehr empfänglich für Eifersucht gewesen;

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