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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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wurden.
    An der Tür mit dem Schild »Sprachmittlergruppe / Team Afghane Translators « machte er Halt, klopfte und trat ein. Drei Afghanen saßen an einem Tisch und tranken Tee. Offenbar störte Paule sie gerade bei einer angeregten Unterhaltung. Sofort erkannte er Hedayat wieder. Er hatte ihnen damals seine Zeichnung der Höhle erläutert.
    »Hallo Hedayat«, rief Paule freundlich, »kann ich dich mal kurz sprechen?«
    Misstrauisch blickte der kleine Sprachmittler ihn an und fragte: »Worum geht es denn?«
    »Eine wichtige Angelegenheit, bei der nur du helfen kannst!« erwiderte Paule vieldeutig.
    Offensichtlich geschmeichelt wechselte Hedayat ein paar Worte mit seinen Kollegen und stand dann auf. Geschäftig fragte er: »Wie kann ich helfen?«
    »Wir brauchen dich für eine … Auskunft«, sagte Paule, »aber es ist eine vertrauliche Sache. Ich müsste allein mit dir sprechen.« Er öffnete die Tür und trat auf den Flur.
    Hedayat warf seinen Landsleuten einen kurzen Blick zu und folgte eilig. »Wohin gehen wir eigentlich?«, wollte er wissen, als sie am Ende des Ganges angelangt waren.
    »Bis hierher zunächst«, knurrte Paule, öffnete die Tür zu einem kleinen Lagerraum, schob den widerstrebenden Mann hinein und schloss ab. Entgeistert schaute Hedayat ihn an. »Was soll das? Was fällt dir ein?«
    »Ich möchte mich ein wenig mit dir unterhalten«, sagte Paule ruhig, fixierte aber die dunklen Augen des Afghanen mit einem eisigen Blick. »Zum Beispiel über deine Zeichnung von der Höhle und darüber, wie du erfahren hast, dass die Geiseln dort versteckt waren. Und über einen ganz bestimmten deutschen Hauptmann will ich mit dir reden, … und über Verrat.«
    Hedayat war bei diesen Worten blass geworden. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, stammelte er. »Ich werde mich über dich beschweren!«
    Paule hielt seinen Blick weiterhin auf die Augen des Mannes gerichtet, der einen Kopf kleiner war als er. »Pass mal auf, Hedi – so nennen sie dich hier doch alle, nicht wahr?«
    »Ja, meine Freunde dürfen mich so nennen.«
    »Na also, dann nenn’ ich dich auch so. Denn ich bin dein Freund – das wirst du gleich merken!«
    Der Sprachmittler sah den bulligen Mann mit der Kopfglatze misstrauisch an: »Was willst du eigentlich von mir?«
    »Das habe ich dir eben schon gesagt.« Paules Stimme klang auf einmal überhaupt nicht mehr gutmütig. Er musterte Hedayat scharf, der aber sofort seinem Blick auswich. »Ich will von dir hören, was du über die Leute weißt, die zum Zeitpunkt der Geiselbefreiung in der Höhle waren! Ich will wissen, wie du von dem Versteck der Geiseln erfahren hast. Und dann will ich noch wissen, was du über einen ganz bestimmten deutschen Hauptmann weißt. Aber eins nach dem anderen. Wir nehmen uns Zeit für unsere kleine Plauderei … «
    Hedayat hatte leicht zu zittern begonnen, gab aber trotzig zurück: »Was für ein Hauptmann denn? Ich weiß nichts. Und was das Versteck der Geiseln betrifft, das habe ich alles dem Herrn General gemeldet. Der hat mich dafür sogar für eine Auszeichnung vorgeschlagen. Ich will mit dir nichts … «
    Weiter kam er nicht.
    Die nächsten Worte brachte er nur noch mit Mühe heraus, da seine strampelnden Füße unversehens einen Meter über dem Boden hingen und sein Hinterkopf schmerzhaft an die Wand schlug. Seine Kehle wurde von Paules gewaltiger Pranke umklammert. »Ich werde dich melden – das ist ein Übergriff! Du darfst so etwas nicht … «
    »Ich werde dir sagen, was ich darf, mein guter Hedi: Ich darf dir ein paar Fragen stellen. Und wenn mir die Antworten nicht gefallen, dann darf ich dafür sorgen, dass deine Landsleute da draußen endlich auch von deiner Rolle beim Auffinden des Geiselverstecks erfahren. Es kann doch nicht sein, dass du nur von den Deutschen belobigt wirst. Was meinst du, Hedi, wie sich deine Leute freuen werden, das alles über dich zu hören … «
    Paule hoffte inständig, mit diesem Bluff Erfolg zu haben.
    Er hatte überhaupt nichts in der Hand. Jedenfalls nicht mehr als die Überlegungen, die Johannes in der Türkei angestellt hatte. Dass er damit offenbar voll ins Schwarze getroffen hatte, war ihm allerdings sofort klar, als er sah, dass der kleine Mann ihn mit angstvoll aufgerissenen Augen anstarrte, während er wie ein totes Huhn schlaff an der Wand hing, festgenagelt durch die Hand an seiner Kehle.
    »Ich rede mit dir, aber nicht hier!«, presste Hedayat heraus. Paule zog seine Hand weg. Als der Afghane sich nach dem

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