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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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verteilte ein paar Farbfotos in der Runde. Dabei sagte er mit erkennbarem Stolz: »Die modernsten Maschinen und Geräte, die es gibt! Wir können die Ware nun in der Hälfte der Zeit verarbeiten, die wir vorher benötigt haben. Und dann die großen Filter – Rauch wird man draußen kaum noch sehen.«
    »Vor allem liegt der neue Standort jetzt fast doppelt so weit wie der alte vom ,Operation Point North ’ der ISAF entfernt, ihrem ,OP North’, wie sie sagen«, warf Sayed ein und deutete auf einen Punkt in den Bergen bei Baghlan. »Das war schließlich der Hauptgrund für die ganze Mühe.«
    Die Männer bestaunten die modernen Anlagen auf den Fotos gebührend, auch wenn kaum einer unter ihnen genau hätte sagen können, welchem Zweck die einzelnen Apparaturen dienten. Dafür aber wussten sie umso besser, welches Endprodukt dort hergestellt wurde.
    Die Fotos wurden wieder eingesammelt, und der ältere Sohn des Fürsten fuhr fort: »Nun zu unserem Problem: Wie ihr wisst, haben sich die fremden Soldaten bisher für Jalani-Kalay nicht interessiert. Es liegt einfach zu weit von ihren Stützpunkten entfernt, vor allem vom ,OP North’. Über Jalandscha«, er deutete auf einen Ort etwa vierzig Kilometer südlich der Fabrik, »sind sie mit ihren Patrouillen bisher nie hinausgekommen«.
    »Natürlich nicht«, ließ sich Jamal vernehmen. »Ich sorge schließlich dafür, dass ihre Patrouillen in der Gegend heftig beschäftigt werden. Außerdem gibt es keinen Weg dort hoch, den sie kennen!«
    »Richtig, Jamal«, antwortete Sayed. »Aber nun hat sich da oben Dawud mit seinen Talibankämpfern festgesetzt. Vor ein paar Wochen sind sie aus Pakistan gekommen.«
    »Dawud ist doch keine Gefahr für uns«, warf Jamal ein, »wieso sollten wir ihn fürchten?«
    Der Warlord sagte mit schneidender Stimme: »Sei kein Dummkopf, Jamal! Natürlich haben wir von Dawud nichts zu befürchten. Das wäre ja auch noch schöner! Wo hat er denn wohl das Geld her, mit dem er seine Leute bezahlen kann, von seinen Waffen und der Munition mal ganz zu schweigen?«
    Der alte Mullah sah sich veranlasst, nunmehr ebenfalls etwas beizutragen, und krähte mit seiner heiseren Greisenstimme: »Dawud ist ein guter Muslim, ein wahrer Gotteskrieger! Ich kenne ihn noch aus den alten Zeiten. Er war ein paar Jahre mit seinen Leuten jenseits der Grenze, aber nun hat der verehrungswürdige Mullah Omar, Allah möge ihn schützen, ihn gerufen. Er hat ihm gesagt, dass die Amerikaner, Allah möge sie strafen, hierher in den Norden kommen werden. Da ist er zurückgekommen, um mit Allahs Hilfe gegen sie zu kämpfen.«
    Der alte Mann hielt kurz inne und rief dann: »Gegen die Ungläubigen will er kämpfen, nicht gegen uns!« Damit sank er erschöpft auf sein Sitzkissen zurück.
    Kalakani trank seinen Tee mit einem großen Schluck aus, warf einen Blick zu seinem jüngeren Sohn und sagte: »Naim, lass uns von deinen Schwestern frischen Tee bringen!«
    Der Angesprochene ging rasch aus dem Raum, rief ein paar Worte vor der Tür und kehrte kurz darauf zurück, gefolgt von zwei jungen Frauen mit seidenen Kopftüchern, jede in einen elegant geschnittenen hellen Salwar Kameez gekleidet. Sie balancierten silberne Kannen auf Tabletts, gingen herum und schenkten die Teegläser voll. Dann zogen sie sich wortlos wieder zurück und schlössen die Tür hinter sich.
    Der Warlord nickte seinem Sohn zu, und der fuhr fort: »Es wird sich herumsprechen, dass es dort Taliban gibt. Die Ungläubigen werden davon irgendwann erfahren und sie werden sich plötzlich für dieses Dorf interessieren – und unsere Fabrik entdecken. Ihr habt alle gehört, dass die verfluchten Amerikaner gerade in Ghazni eine Fabrik in Schutt und Asche gelegt haben. Das darf bei uns nicht passieren!«
    Sayed machte eine kurze Pause bis sich das unmutige Gemurmel wieder gelegt hatte. »Es geht auch um unsere Transporte. Wir müssen die Ernte zur Fabrik bringen und die Ware später von dort zu den Lagern und weiter über die Grenze.«
    »Aber das machen wir doch schon die ganze Zeit, und nie haben die Ungläubigen etwas davon mitbekommen!«, rief der junge Naim aus.
    »Schweig, mein Sohn!«, wies ihn sein Vater zurecht. »Du wirst gefragt, wenn wir etwas von dir hören wollen. So lange höre zu und lerne!«
    »Natürlich, Vater«, entgegnete der Junge zerknirscht.
    Sayed lächelte. »Wie mein Bruder Naim, wenn auch ungefragt, ganz richtig sagt, machen wir das schon lange so. Und die deutschen Soldaten wissen nichts davon.

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