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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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einer vergangenen Zeit.
    Ferne Corinna. Ausgerechnet sein alter Pullover brachte die Erinnerung an sie zurück.
    Es tat nicht mehr weh.
    Rasch ging er in die Nasszelle nebenan und kniete sich hin, um an ein unscheinbares Staufach hinter dem WC zu gelangen. Wertsachen versteckte er auf Booten immer. Hinter ein paar Plastikflaschen mit Reinigungsmitteln und zwischen diversen Putzlappen kramte er die kleine Mappe mit Bargeld und Kreditkarten hervor. Sie war da, wo er sie am Beginn der Reise hingelegt hatte. Und es fehlte nichts.
    Ein leises Miauen hinter ihm ließ ihn zunächst erschreckt zusammenfahren, dann lachte er, stand auf und drehte sich um. In sicherem Abstand saß die kleine graue Katze im Salon und sah ihn mit ihren dunklen Augen aufmerksam an.
    »Hallo, dir scheint es ja gut zu gehen«, sprach er sie leise an. »Dir haben die bösen Männer nichts getan, was?«
    Ganz langsam ging er auf die Katze zu, aber die wich im gleichen Tempo zurück.
    »Ach, wir werden uns schon noch aneinander gewöhnen.«
    Er nahm die starke Taschenlampe von ihrem Haken und stieg die Niedergangstreppe hinauf, um nachzusehen, ob die Sache mit der provisorischen Katzentoilette funktioniert hatte.
    Sie hatte. Erleichtert riss er einen Müllbeutel von der Rolle und schüttete die Hinterlassenschaften des Tieres zusammen mit den Papierschnitzeln hinein. Dann füllte er den Karton mit ein paar Händen voll Sand aus der Box und stellte das Katzenklo wieder vorn neben das Ankerspill.
    Luxuriös geradezu, verglichen mit dem Provisorium.
    Nachdenklich ließ er sich auf der Sitzducht hinter dem Ruderrad nieder. Ganz klar: Einbrecher waren das nicht, auch keine Diebe. Aber was hatten sie dann auf dem Schiff gesucht?
    Die Antwort war beängstigend klar: Ihn!
    Sie hatten ihn gesucht.
    Dass er auf seinem Ausflug unterwegs war, hatten sie vermutlich nicht mitbekommen. Und während sie die Yacht gerade wieder verlassen wollten, war er plötzlich mit seinem Dingi aufgetaucht.
    So muss es gewesen sein, dachte Johannes, während er auf einmal wie gelähmt dasaß.
    Und sie würden wiederkommen.
    Nun zitterte er am ganzen Körper, sein Verstand hingegen arbeitete messerscharf.
    Was wollten sie von ihm? Kaum war er aufgetaucht, hatten sie sofort auf ihn geschossen. Aus welchem Grund, zum Teufel?
    Er wusste es, hatte es die ganze Zeit gewusst.
    Sie wollten ihn töten – was sonst?
    Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er, vom Deckslicht angestrahlt, gerade ein hervorragendes Ziel abgab, das man kaum verfehlen konnte. Zum Beispiel von der Ziegeninsel nebenan.
    Sofort alle Lichter aus!, fuhr es ihm durch den Kopf, und er wollte aufstehen.
    Es ging nicht.
    Er saß wie festgenagelt auf der Sitzducht. Das Zittern war inzwischen in Zuckungen übergegangen, die er nicht mehr kontrollieren konnte. Der wohlvertraute Kopfschmerz ließ seinen Schädel pochen. Die kleinen Zahnräder unter der Schädeldecke begannen offenbar erneut, sich festzufressen.
    Irgendwie musste er es schaffen, hinunterzukommen und seine Tabletten zu nehmen. In seinem jetzigen Zustand könnten sie ihn nach Belieben abknallen. Wie auf einem Schießstand.
    Vielleicht waren sie ja schon wieder da, hatten sich von der anderen Seite auf die Insel geschlichen und zielten gerade auf ihn …
    Angestrengt lauschte er in die Dunkelheit. Außer dem ständigen Zirpen der Grillen und einem leisen Schwappen des Wassers an der Bordwand war nichts zu hören.
    Oder doch? Was war das für ein Plätschern da draußen auf dem Wasser? Tasteten sie sich in der nächtlichen Finsternis mit einem Ruderboot an die Akgül heran?
    Da! Wieder klang ein leises Geräusch durch die Nacht. Waren das Stimmen, flüsterte da jemand? Es hatte geklungen, als wäre es ganz nah.
    Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die Finsternis. In seinen Ohren rauschte es unangenehm. Auf einmal schienen verschiedene Geräusche aus allen Richtungen zu kommen. Er konnte sie nicht bestimmen; das Lied der Zikaden schien lauter geworden zu sein, überlagerte nun alles.
    Ein frenetisches Konzert für seine überforderten Sinne. Es schwoll an und wurde grell. Rund um ihn herum.
    Panik. Bitte nicht!
    Er versuchte, ganz gleichmäßig zu atmen.
    »Denk an den Wellenteppich«, hatte Karen ihm eingeschärft. »Versetz dich in deinen Traum. Auf dem Wellenteppich bist du sicher. Er trägt dich. Du wirst nicht versinken … «
    Keine Zeit zum Träumen, Karen.
    Für einen Augenblick dachte er an die vielen Wochen, die langen Sitzungen, in denen sie beide

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