Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
Windflügel standen jetzt aufrecht, zwei waagerecht, ein gewaltiges Kreuz, Sinnbild des Christentums, an dessen Spitze der schreiende Müller brannte wie eine lebende Fackel. Hoch über dem Tal und dem schäbigen Dorf fand er sein Ende, und das glühende Fanal seiner Hinrichtung mußte meilenweit über die Wälder hinweg zu sehen und zu hören sein.
Einige der Gaukler wandten sich ab, andere packten sich an den Händen oder umarmten sich. Zorn und Angst war ihnen zugleich in die Gesichter geschrieben, und doch sprach niemand ein Wort. Es gab keine lauten Verwünschungen, keine Wutausbrüche oder Zornesgebärden. Eine unheimliche Stille lag über dem Lager. Allein aus dem Dorf war manch anfeuernder Jubellaut zu hören, fraglos von den Männern des Inquisitors.
»Ein Exempel«, flüsterte Faustus tonlos. »Asendorf statuiert ein Exempel. Um jedem zu zeigen, was geschieht, wenn er Ketzer wie uns unterstützt.«
»Aber woher wußten sie…«, begann ich und gab mir dann selbst die Antwort: »Natürlich, die Pferde. Sie haben unsere Pferde entdeckt.«
»Alles übrige werden sie durch die Folter aus ihm herausgeholt haben«, bestätigte Faustus.
Plötzlich stand Lara neben uns. »Ihr müßt fort«, raunte sie gehetzt. »Sie werden weiter nach Euch suchen.«
Faustus nickte. »Wir brauchen neue Tiere.«
»Nehmt drei von unseren«, erwiderte die Gauklerin. Ihr Gesicht glänzte vor Erregung.
»Asendorf wird es bemerken«, gab ich zu bedenken.
»Dann habt ihr sie eben gestohlen«, widersprach sie ungeduldig.
Ich bezweifelte, daß der Hexenjäger sich damit zufriedengeben würde. Noch einmal blickte ich hinauf zur Mühle. Friedbert hatte aufgehört zu schreien. Er lebte nicht mehr. Sein lodernder Körper schwebte über dem Tal, als habe der Mond am Nachthimmel Feuer gefangen.
»Was machen wir mit ihr?« fragte ich und deutete ins Innere des Wagens.
»Sie kommt mit«, erwiderte Faustus, »so wie abgesprochen.«
»Wir haben einen Sattel mit Rücken-und Armlehnen«, sagte Lara, »für eine unserer Pferdenummern. Wir könnten sie darin festbinden.«
»Sie muß liegen«, warf Gisbrand von hinten ein.
Faustus schüttelte den Kopf. »Eine Weile lang wird es gehen. Zumindest so lange, bis wir weit genug von diesem Tal entfernt sind.«
Lara gab einigen ihrer Leute Befehle, und wenig später standen im Schutze eines Planwagens drei Pferde bereit. Auf einem hatten die Gaukler den hochlehnigen Sattel befestigt. In ihn wurde nun das Mädchen gehoben. Sie stöhnte leise, zeigte aber kein anderes Zeichen von Leben. Die Lehne in ihrem Rücken wurde mit Decken gepolstert, dann band man sie mit Stricken fest, so daß sie nicht mehr herabfallen konnte.
»Das Pferd ist an diesen Sattel gewöhnt«, sagte Lara und zwang sich zu einem zaghaften Lächeln. »Notfalls kann es damit ein paar Kunststücke vollführen.«
»Kann es galoppieren?« fragte Faustus.
»Eine Weile lang«, entgegnete Lara. »Aber gebt acht damit im Wald. Denkt daran, das Mädchen kann sich nicht vor tiefhängenden Ästen schützen.«
Wir sprangen auf unsere Pferde und nahmen eiligen Abschied. Faustus ergriff Laras Hand. »Habt Dank für alles«, sagte er.
Lara nickte. »Verschwindet jetzt, Doktor Faustus. Ich hoffe, wir sehen uns niemals wieder.«
Er lächelte. »Wir werden sehen.«
Dann ritten wir davon, quer durch den Wald, das Pferd mit dem kraftlosen Mädchen in unserer Mitte. Die Gaukler, das Tal und der brennende Müller blieben hinter uns zurück. Schließlich versperrte die schwarze Mauer der Baumreihen jede Sicht auf das, was hinter uns lag.
»Man sagt, Ihr kennt die Zukunft«, rief ich Faustus zu, als wir einen Pfad erreichten und die Tiere zur Eile trieben. »Sagt, was seht Ihr da? Werden wir sie wiedertreffen?«
Faustus gab lange keine Antwort, doch als er schließlich sprach, wünschte ich mir, er hätte es nicht getan.
»Ich sehe Feuer, Wagner«, sagte er leise. »Nichts als gewaltige Feuer und vielfachen Tod.«
Kapitel 4
Zumindest in einem sollte Lara rechtbehalten: Das Mädchen erholte sich ungewöhnlich schnell. Seine Gesundung ging mit solch halsbrecherischer Geschwindigkeit voran, daß selbst Faustus der Mund vor Staunen offenstand, wenn er die Verbände wechselte oder die Salbe, die er aus allerlei Waldkräutern gefertigt hatte, auf die Wunden strich. Da man Faustus im ganzen Land nur allzu gut kannte, und das Mädchen durch seine Entstellung zu großes Aufsehen erregt hätte, verzichtete ich freimütig auf meine Mönchskutte und
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