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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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war mein Vorsprung und die Flinkheit meiner Füße. Ich hoffte inständig, daß ihre nicht flinker waren.
    Zweige schlugen mir ins Gesicht, als ich achtlos durch die Büsche brach, mich nach links wandte und in die Richtung der Burg lief. Ich mußte die Höhle erreichen, koste es was es wolle, und Faustus vor diesen Menschen (Engeln?) warnen. Mir war, als drehten sich die endlosen Reihen der Bäume vor meinen Augen, als geriete der Boden selbst ins Schwanken. Ich hatte Mühe zu atmen, als sei die Luft plötzlich zu zäh für Mund und Nase.
    Hatten sie nicht die Geister der Luft und die Gnomen der Erde beschworen? Waren sie es, die mich mit einem Mal bedrängten? Alles wirbelte und drehte sich, mir stockte der Atem, und doch lief ich weiter, immer weiter, schneller, immer schneller. Der Weg durch die peitschenden Äste wurde zum Spießrutenlauf, die Bäume zu grinsenden Nachtmahren, die hämisch auf mich einschlugen. Ich wußte nicht, wo meine Verfolger waren, nicht wie nah oder fern. Ihre Schritte wurden längst vom Taumel meiner eigenen verschluckt. Ich dachte nur an meine Flucht. Ganz allein das Vorwärts zählte.
    Ich erreichte die vorderen Felsen und rannte entlang der Steilwand nach Süden. Irgendwann mußte ich so den Eingang zur Höhle erreichen.
    Im selben Augenblick schien hinter mir das Unterholz zu explodieren. Knirschend barsten die Zweige, als zwei Gestalten aus dem Schatten der Bäume ins Freie jagten. Sie mochten noch zwei Dutzend Schritte hinter mir sein. Aus dem Augenwinkel sah ich, mit welchem Geschick sie sich bewegten, unfaßbar schnell. Es war, als gerate ihr ganzer Körper in Bewegung, als rege sich jedes ihrer Glieder. Gleich wimmelnden Ameisen schossen sie hinter mir her. Sie holten auf. Kamen näher. Angst packte mich – als wären es keine Menschen, die mir im Nacken saßen.
    Und waren es denn welche?
    Wir rufen die Diener der Elohim.
    Vor mir klaffte in der Dämmerung ein Stück Schwärze. Der Felsspalt. Der Eingang zur Höhle.
    Ihre Finsternis umfing mich mit klammer Hand. Die Pferde wieherten verstört, als ich an ihnen vorüberrannte. Eines trat unruhig nach hinten aus, doch sein Huf verfehlte meine Hüfte um mehr als einen Schritt. Bald schon erreichte ich die ersten Stufen. Das Licht vom Eingang reichte nicht mehr bis hierher. Die Furcht vor dem, was mir folgte, war größer als jene, in der Dunkelheit zu stürzen. Wie von selbst fanden meine Füße die Stufen. Die Treppe machte eine Biegung, und der helle Felsspalt in meinem Rücken verschwand. Um mich war nur noch absolute Schwärze.
    Das Wiehern der Pferde wurde mit einem Mal wieder lauter. Meine Verfolger mußten die Höhle entdeckt und betreten haben. Ich wollte schneller laufen, doch in der Finsternis war das unmöglich. Eine einzige Frage raste durch meinen Schädel, immer wieder und wieder: Können Engel auch im Dunkeln sehen?
    Jetzt hörte ich ihre Schritte weiter unten auf der Treppe. Sie schienen noch immer zu zweit zu sein. Offenbar waren die übrigen vier zurückgeblieben. Sie sprachen nicht miteinander, riefen sich keine Warnungen vor unsichtbaren Ecken und Kanten zu, fluchten nicht einmal. Auch sie fanden den Weg ohne Hindernisse. Ihre Schritte halten in dem engen Steintunnel wider, schufen ein Echo, das zugleich von oben und unten zu kommen schien. Ich hätte nicht sagen können, ob sie fünf oder fünfzig Stufen hinter mir waren. Schon glaubte ich, sie in meinem Rücken zu spüren, doch es war nur die Angst, die mir eisig den Körper herabkroch.
    Das Echo nahm zu. Bald schon dröhnte es in meinen Ohren, lauter noch als die Geräusche meiner eigenen Schritte. Mein Herz schlug dazu in einem jagenden Takt. Meine Lungen rasten. Jeder Atemzug war ein verzweifeltes Schnappen nach Luft, als drohte mich die Schwärze in ihrer Umarmung zu ersticken. Von überall hörte ich Laute.
    Ich begriff, daß ich verloren war. Die beiden Krieger würden mich einholen. Sie waren schneller als ich, geschickter als ich. Ihre Waffen waren scharf und tödlich. Mochten sie auch vorgeben, Engel zu sein; der Sinn stand ihnen allein nach Tod und Vernichtung. Denn war Gott, ihr Herr, nicht ein Gott der Zerstörung? Hatte er nicht ganze Völker ins Elend gestürzt, sie hingeschlachtet mit einem Wink seiner Hand? Was mochte ihm da das Leben eines armseligen Zauberadepten bedeuten?
    Einmal war ich sicher, daß nun tatsächlich auch von vorn Schritte auf mich zukamen. Das aber war unmöglich. Die beiden Verfolger waren hinter mir. Und wer sollte mir

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