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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Wahrheit entsprach. Faustus war entdeckt. Und Angelina. Ich aber befand mich noch in Sicherheit. Niemand wußte, daß ich in diesem Schacht steckte.
    Der ganze Gang war jetzt voller Menschen. Zweifellos Asendorfs Landsknechte. Ich verfluchte mich, daß ich nicht rückwärts in den Schacht gekrochen war; dann hätte ich sie wenigstens sehen können. So aber wandte ich ihnen die Schuhsohlen zu, und eine Drehung war in dem engen Schlauch unmöglich.
    »Faustus!« rief die Stimme erneut. »Ich weiß, daß du dort drinnen bist. Glaube ja nicht, daß ich die Tür einschlagen lasse! Diese Kammer ist als Gefängnis so gut wie jede andere.«
    Asendorf konnte nicht sicher sein, daß es wirklich Faustus war, der sich dort vor ihm versteckte. Es sei denn, Berlepsch hätte geplaudert. Freilich, ob er es wußte oder nur vermutete – einen Unterschied machte das nicht.
    »Meine Männer werden hier draußen auf dich warten«, sagte Asendorf. »Es wird eine Weile dauern, die Scheiterhaufen für dich und deine Ketzerfreunde zu errichten. Bis dahin magst du in dieser Kammer sitzen und dein Schicksal erwarten.« Daraufhin gerieten die Männer auf dem Gang erneut in Unordnung, denn Asendorf wandte sich ab und stieg über die Wendeltreppe ins Freie. Seine Soldaten blieben zurück. Sie machten rauhe Scherze und lachten. Tatsächlich hatten sie allen Grund zur Freude. Der Erzfeind ihres Meisters war gefaßt.
    Ich selbst hatte keine Wahl. Langsam und so lautlos wie nur möglich schob ich mich tiefer in den Schacht. Ich hegte die vage Hoffnung, auf diesem Weg das Gitter zu erreichen, das in die Geheimkammer führte.
    Schon nach kurzer Strecke gelangte ich an eine Gabelung. Zum einen führte der Schacht weiter geradeaus, wahrscheinlich zur Außenmauer; nach rechts aber machte er einen scharfen Knick. Mit aller Mühe gelang es mir, mich um die Ecke zu schlängeln. Der Stein schien von allen Seiten tonnenschwer auf meinen Körper zu drücken. Einen Augenblick lang bedrängte mich die entsetzliche Vorstellung, in diesem Tunnel steckenzubleiben, weder vor noch zurück zu können, eingepfercht, hilflos, verloren. Ich würde verdursten oder von Ratten und Spinnen gefressen. Wahrhaft erbauliche Gedanken.
    Trotz allem gelang es mir, weiter voranzukommen. Gleich einem Schiffsbug, der sich durch Algenschleier schiebt, stieß mein Gesicht durch hauchdünne Spinnweben. Immer wieder war mir, als krabbelten dürre Beine über meine Haut, über meine Wangen und Lippen. Ich war froh, in der Dunkelheit nichts sehen zu können. Schließlich aber quoll mir ein fahler Schein entgegen, und da wußte ich, daß ich am Ziel war.
    Mit beiden Händen umfaßte ich das Gitter und zog mich mit dem Gesicht heran. Von hier aus hatte ich einen Großteil der Geheimkammer im Blick. Die Kerzen tauchten sie in orangefarbenes Halblicht.
    Angelina hockte unverändert an der Wand, beide Knie angezogen, das verbrannte Gesicht gesenkt. Faustus ging aufgeregt auf und ab. Zweifellos grübelte er über einen Weg, Asendorfs Häschern zu entkommen. Zudem aber befand sich eine dritte Person in dem Raum. Es war ein Mann, feist und schwer, gekleidet in die weiten Gewänder eines Priesters. Ich hatte sein Gesicht nie zuvor gesehen; es war breit und fleischig, die Lippen rote Wülste. Sein Schädel war vollkommen haarlos. Doch obwohl ich den Mann nicht kannte, wurde mir mit einem Mal klar, wer er war und was hier seit meinem Abschied geschehen sein mußte (später erfuhr ich, daß ich damit goldrichtig lag)
    Asendorf hatte im Morgengrauen die Burg erreicht. Deshalb brachte Berlepsch den anderen, uns unbekannten Besucher – den fetten Priester, also – hinauf in unsere Kammer, denn auch er war auf der Flucht. Der Hauptmann hoffte wohl, daß der Pfaffe ebenso wie wir hier oben sicher sein würde. Nachdem ich selbst so lange auf mich warten ließ, wurde Faustus unruhig. Er war dank Berlepsch nicht länger eingeschlossen, und so machte er sich auf den Weg, mir zur Hilfe zu kommen – was ihm ja auch im letzten Augenblick gelungen war. Er besiegte oder vertrieb die beiden Engelkrieger unten im Geheimgang und folgte mir nach oben. Ich aber versteckte mich dank meiner Dummheit vor ihm im Schacht, und Faustus eilte zurück in die Kammer, wohl weil er glaubte, ich sei bereits dort eingetroffen. Zugleich mußte aber auch Asendorf oder einer seiner Männer auf ihn aufmerksam geworden sein; wahrscheinlich, als Faustus durch die Falltür den Stall betrat. Den Rest der Ereignisse hatte ich mit eigenen

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