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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Von hier aus ging es weiter nach oben. Dem Licht und dem Leben entgegen. Die Frage, wer mich gerettet hatte, brannte lodernd heiß in meinem Denken. Trotzdem bezwang ich den Drang, nach seinem Namen zu fragen. Damit hätte ich erneut die Aufmerksamkeit meiner Feinde erregt. Erst galt es, so schnell wie möglich zu verschwinden. Um Antworten konnte ich mich später bemühen.
    Ich ließ die drei, die dort unsichtbar in der Schwärze auf einanderhieben, hinter mir zurück und stürmte mit letzter Kraft die Stufen hinauf. Schließlich erreichte ich die obere Kammer und schlüpfte durch die Falltür hinauf in den Stall. Ich bemerkte wohl, daß nun viel mehr Pferde dastanden als zuvor, dachte mir aber nichts dabei. Vor dem Tor dämmerte der Morgen, und auf dem Hof war Betriebsamkeit ausgebrochen. Eilig lief ich zur Geheimtür in der Stallwand, zwängte mich unbemerkt hindurch und gelangte in den engen Treppenschacht. Als ich die Tür hinter mir schließen wollte, sah ich eben noch durch den Spalt, wie die Falltür, durch die ich gerade erst gekommen war, von unten auf gestoßen wurde. Doch ich ließ mir nicht die Zeit, mich zu vergewissern, wer dort ans Tageslicht kletterte. Es mochte mein unbekannter Retter sein – oder auch die beiden Engelkrieger. Wieder entschied ich, mich zuerst in Sicherheit zu bringen, bevor ich mir Zeit für Fragen ließ. Ich zog also die Tür hinter mir zu und rannte die Treppe hinauf.
    Gerade hatte ich den obersten Absatz erreicht, als ich hinter mir schon das Öffnen der Geheimtür hörte. Wer auch immer mir folgte, Freund oder Feind, er war nur noch wenige Schritte entfernt. Die Versuchung, abzuwarten, war groß. Und doch lief ich weiter. Ich war nicht bis hierher gekommen, um mich schließlich doch noch von den beiden Weißhaarigen erschlagen zu lassen. Erst in der Geheimkammer unterm Dach war ich sicher. Ihre Tür war massiv. Sie konnte ich versperren. Nicht einmal die geisterhaften Kämpfer würden sie überwinden können.
    Ich stürmte gerade den Gang zur Kammer entlang, als mir klar wurde, daß ich verloren hatte. Ich mußte die Tür erst von außen aufschließen, ein allzu langwieriger Vorgang in Anbetracht der Nähe meiner Verfolger. Was, wenn der Schlüssel fort war? Oder das Schloß klemmte? Bange Fragen wie diese trieben mich zu einer neuen Entscheidung.
    Auf Bodenhöhe des steinernen Flurs befand sich in einer Wand eine Öffnung, jener ganz ähnlich, die ich in der Geheimkammer bemerkt hatte. Durch sie drang frische Luft in die verborgenen Räume. Allein durch eines unterschied sich dieses Loch von dem anderen: Es war nicht vergittert.
    Blitzschnell ging ich in die Knie und schob mich kopfüber in den dahinterliegenden Schacht. Er verlief waagerecht und war eben breit genug, um mir Unterschlupf zu gewähren. Spinnweben legten sich über mein Gesicht wie ein seidener Schleier. Trotzdem kletterte ich weiter, bis auch meine Füße vom Gang aus nicht mehr zu sehen waren. Dann blieb ich reglos liegen, wagte nicht einmal mehr zu atmen. Kein Laut durfte nach außen dringen.
    Hinter mir stürmte ein Mann an der Öffnung vorüber und machte sich an der Tür der Geheimkammer zu schaffen. Entweder der Schlüssel steckte tatsächlich noch, oder aber er hatte ihn bei sich. Letzteres sprach dafür, daß es in der Tat mein Retter war, der als Sieger aus dem Kampf hervorgegangen war. Fest stand auf jeden Fall, daß es eine einzelne Person war. Noch ein Hinweis, der gegen die beiden Engelkrieger sprach.
    All dies machte mir neuen Mut. Gerade wollte ich mich rückwärts wieder aus dem Schacht hinausschieben, als auf dem Gang neuerliche Schritte laut wurden. Diesmal waren es mehrere, ja, ein regelrechter Menschenauflauf schien in dem engen Flur aufzumarschieren.
    »He da!« rief eine Stimme, die nur dumpf bis zu mir in den Luftschacht vordrang. »Öffnet die Tür! Wir wissen, daß ihr euch dahinter versteckt. Und falls du es bist, Faustus, dann solltest du dich um so mehr beeilen – vielleicht lasse ich dann Gnade walten!« Diese letzten Worte, eindeutig voller Hohn und keineswegs ernstgemeint, machten mir klar, wer dort draußen auf dem Gang stand.
    Asendorf hatte uns gefunden.
    Was auch immer hier während meiner Abwesenheit vorgefallen war, es hatte keinesfalls eine Wendung zum Guten gebracht. Der Inquisitor mußte die Wartburg am frühen Morgen erreicht haben.
    Wir waren entdeckt! Der Gedanke bereitete mir solches Entsetzen, daß ich erst nach einer Weile begriff, daß er nicht völlig der

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