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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Schulter, doch ich entwand mich seinem Griff.
    »Warte«, sagte er ungehalten.
    Ich sprang bereits hinaus auf den Gang und zog die Tür hinter mir zu. Einen Augenblick später war sie verschlossen. Ich hatte meinen eigenen Meister eingesperrt.
    »Wagner, sei kein Narr!« rief er mir gedämpft durch das Holz hinterher.
    »Verzeiht mir, Meister«, entgegnete ich. »Ich werde das Geheimnis der Engel für Euch lösen. Kümmert Ihr Euch um Angelina. Ihr darf nichts geschehen.«
    Damit steckte ich den Schlüssel von außen aufs Schloß und machte mich auf den Weg. Am Morgen würde Berlepsch nach seinen Gästen sehen; spätestens dann würde er die Tür öffnen.
    Ich wußte nicht, ob Faustus mir je verzeihen würde. Ich hoffte inständig, daß er meine Gründe verstand, wenn er sie auch nicht nachvollziehen konnte.
    Ich schlich mich hinab in den finsteren Stall. Es war immer noch tief in der Nacht. Kein Mensch war zu sehen. Einen Augenblick lang verharrte ich und überlegte, wie ich mein Vorhaben angehen sollte. Vielleicht hätte ich noch einen Moment abwarten und Faustus seine Pläne entlocken sollen. So stand ich nun allein vor der Frage, wie ich die Engel in den Wäldern aufspüren sollte. Ich entschied mich schließlich für die naheliegendste Lösung: Ich würde hinausgehen und das Unterholz nach verräterischen Spuren absuchen.
    Die Wälder sind voller Engel, hatte Faustus gesagt.
    Nun, wenn sie voll davon waren, sollte es nicht allzu schwierig zu sein, wenigstens einen davon aufzuspüren.
    (Ihr, verehrter Leser, mögt mir an dieser Stelle meine Leichtfertigkeit vorwerfen. Wie kann er so dumm sein? werdet Ihr fragen – und mir bestenfalls meine Jugend zugute halten. Ich weiß, daß Ihr so denkt, und doch kann ich es nicht ändern. Dies war die Entscheidung, die ich damals traf – aus Übermut, Unbedarftheit oder wackerem Heldentum –, und dazu muß ich stehen. Doch haltet Euch mit Eurem Urteil zurück und hört, wie sich die Dinge entwickelten.)
    Ich stieg unbemerkt durch die Falltür hinab in den Geheimgang, der steil durch den Berg hinab zum Fuß der Felswand führte. Ich hatte weder Kerze noch Fackel dabei. Die lange Treppe lag in völliger Finsternis. Jede Stufe mußte ich mühsam mit den Füßen ertasten. In Gedanken pries ich den Baumeister dieser Anlage für seine Weisheit, keine Abzweigungen einzuplanen. Selbst ein Blinder – und nichts anderes war ich während meines Abstiegs durch die Dunkelheit – mußte so auf dem rechten Weg bleiben. Auch spürte ich keine Furcht, denn ich wußte, daß meine wahren Gegner die Burg noch nicht erreicht hatten. Gefahr drohte mir erst, wenn ich den Stollen verließ und hinaus in die Wälder trat.
    Nach einer halben Ewigkeit gelangte ich unten an. Die drei Pferde schnaubten leise, als ich die Höhle betrat, von der aus der Felsspalt ins Freie führte. Augenblicke später stand ich draußen, vor mir die schwarze Wand des Waldes, über mir die mächtige Burg. Mit einem Mal kam ich mir sehr allein, sehr hilflos vor. Aber gut – ich hatte diesen Weg gewählt, nun mußte ich ihn bis zum Ende beschreiten.
    Ohne rechte Idee, in welcher Richtung ich meine Suche beginnen sollte, brach ich vorwärts durchs Unterholz. Falls ich es mit echten Engeln zu tun bekäme, würden wohl sie eher mich als ich sie aufstöbern. Mit wenig Vertrauen in Gott, jedoch genug in mich selbst, stiefelte ich tiefer in den Wald. Auch hier war es stockfinster, wenngleich nicht so vollkommen lichtlos wie im Inneren des Berges. Der Mond ergoß seinen fahlen Schein durch Risse im Blätterdach. Zumindest konnte ich erkennen, wohin ich meine Füße setzte.
    Ich gab mir Mühe, mich so lautlos wie möglich zu bewegen, doch im dichten Unterholz war dies Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Bei jedem meiner Schritte knackten Äste, raschelte Laub. Gelegentlich jagte knisternd ein Tier davon. Andere beobachteten mich reglos aus den Schatten, und schon nach kurzer Zeit war mir, als blickten mir von überall glühende Augen entgegen. Schmerzlich wurde mir bewußt, daß ich nicht einmal eine Waffe besaß. Ich hob einen kräftigen Stock vom Boden auf, in der schalen Hoffnung, sein Gewicht würde meine aufgewühlten Sinne besänftigen. Doch die vermeintliche Sicherheit, in der er mich wog, war gering im Vergleich zu der Furcht, die mir der Wald und seine wilden Bewohner einflößten.
    Nun, Mephisto, dachte ich, wo sind deine vermaledeiten Engel? Sitzen sie in den Bäumen? Schlafen sie im Unterholz? Wo, verdammt nochmal,

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