Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
stehe ich nicht mit einem Bein auf dem Scheiterhaufen, wie manch anderer hier.«
Der Pater zuckte zusammen, und Faustus seufzte. »Ich bitte Euch, Gregorius, erzählt Wagner, was Ihr wißt.«
Der Dicke rümpfte pikiert die Nase und schwieg, Die Miene meines Meisters verdüsterte sich. »Nun denn«, sagte er beherrscht, »dann muß wohl ich selbst das übernehmen.«
Und so erfuhr ich, daß der Pater aus dem nahen Gotha, östlich von Eisenach, zur Burg geflohen war. Offenbar, so hatte er Faustus erzählt, war er nur mit Not einem Anschlag auf sein Gotteshaus und das eigene Leben entkommen. Man habe ihm das Dach über dem Kopf anzünden wollen – und ihn selbst gleich mit. Die Mordbrenner hatten ihn zweifellos für tot gehalten, nur deshalb war er ihnen entwischt. Bevor er sich jedoch davongeschleppt hatte, war es ihm gelungen, einen Blick auf die Attentäter zu werfen: sechs Männer und Frauen mit hellem Haar und noch hellerer Haut, die sich untereinander in lateinischer Sprache unterhielten – ein fraglos ungewöhnlicher Umstand. Es bestand kein Zweifel, daß es sich bei den Mördern um dieselben Männer und Frauen gehandelt hatte, die ich im Wald beobachtet hatte.
»Habt Ihr sie je zuvor gesehen?« wandte ich mich an Gregorius, nachdem mein Meister den Bericht beendet hatte.
Der Pater schien seine Abneigung gegen mich zu überwinden und erwiderte: »Nein.« Und zögernd fügte er hinzu: »Zumindest nicht nach ihrer heutigen Erscheinung.«
»Was meint Ihr damit?« fragte Faustus erstaunt.
»Nun ja«, sagte Gregorius und fühlte sich dabei sichtlich unwohl, »möglicherweise habe ich einen von ihnen gesehen, als er noch ein Kind war.«
»Ein Kind?« entfuhr es mir und Faustus wie aus einem Mund.
Der Pater nickte und sah dabei keinem von uns in die Augen. »Habt Ihr je vom Auszug der Erleuchteten gehört?« fragte er.
Ich schüttelte den Kopf und sah Faustus an. Doch auch der schien nicht zu wissen, von was Gregorius sprach.
Der Pater fuhr fort: »Bis vor zwölf Jahren regierte in Rom Papst Alexander VI., das ist Euch bekannt. Sicher wißt Ihr auch um seinen Ruf, mit dem Teufel paktiert zu haben.« Dabei schenkte Gregorius meinem Meister einen vielsagenden Blick, den dieser gelassen erwiderte.
Der Pater fuhr sogleich fort, doch erlaubt mir an dieser Stelle eine neuerliche Unterbrechung. Dem unwissenden Leser will ich in wenigen Worten das sündige Leben des Papstes Alexander schildern, kommt ihm doch in Gregorius’ Bericht eine wesentliche Rolle zu.
Rodrigo Borgia war im Jahre 1492 durch einen geschickten Handel mit Ämtern, die er an seine Getreuen verteilte, an die Macht im Vatikan gelangt und hatte den Namen Alexander VI. angenommen. Er hielt sich einen ganzen Stall von Mätressen und zeugte mit ihnen zahlreiche Kinder – neun, sagen die einen, neunzig, die anderen –, von denen zwei zu besonderer Berühmtheit gelangten: die Hure Lucrezia, die von ihrem Vater mehrfach verheiratet wurde, stets so, wie es seine politischen Dünkel erforderten – und Cesare, der finstere Giftmischer und Mordbube. Der Papst machte in seiner Verruchtheit kein Geheimnis aus seinem verbotenen Nachwuchs, im Gegenteil, er förderte ihn offen aus den Truhen der Kirche. Religion bedeutete ihm nichts, ebenso das Ansehen des Heiligen Stuhls. Er vergab die vatikanischen Ländereien an seine Familie und genoß es, mit Dutzenden von Dirnen ausschweifende Orgien zu feiern. Schon bald war sein Gesicht von der Syphilis zerfressen, was ihm den Ruf einbrachte, selbst ein Dämon zu sein, der sich zum Herrscher der Christenheit emporgeschwungen hatte. Bei öffentlichen Auftritten verbarg er seine entstellte Fratze stets hinter einer schwarzen Maske. Sein Schreiber berichtete kurz nach Alexanders Tod von Satansmessen und Ritualen der schwarzen Magie, die er in den heiligen Hallen beobachtet hatte, um Feinde zu verderben und die Macht der Borgia zu mehren. Auch die schöne Lucrezia, Alexanders Tochter, stand demnach mit dem Teufel im Bunde – sie machte sich alle Männer in ihrer Umgebung zu Sklaven und galt schon bald als Hexe, die einen unheiligen Einfluß auf ihren Vater ausübte. Es kam sogar vor, daß sie in Abwesenheit Alexanders die kirchlichen Geschäfte führte – man stelle sich vor, eine Frau auf dem Heiligen Stuhl!
Man hat später viel über die Umstände von Alexanders Tod getuschelt. Der Borgia erkrankte kurz nach den Feierlichkeiten zum zwölften Jahrestag seiner Weihe und starb nur wenige Tage später unter seltsamen
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