Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
ungebildeter Landsmann, dem weinenden Patienten hochzuhelfen und ihn in den kleinen Sanitärraum zu bringen, der jeweils von zwei Krankenzimmern aus begehbar war. Der Crewman verschwand dann und überließ es dem sanften Spezialisten, die wenigen offenen Wunden zu versorgen, neu zu verbinden und die Haare des Patienten in der Dusche mit einer scharfen Lösung zu waschen.
Nachdem er sich beim Anziehen eines seiner beiden terranischen grauen Jogginganzüge hatte helfen lassen, weil er umso mehr Schmerzen litt, wenn er es allein versuchte, setzte Belian sich auf den Klappstuhl neben dem Bett.
Der Sanitäter griff zum Nissenkamm und begann den zweiten wichtigen Teil der Behandlung gegen die Kopfläuse, während das zurückgekehrte rangniedere Crewmitglied das Bett überzog. Die beiden Terraner schwatzten dabei ungehemmt, weil sie seit dem gestrigen ersten Mal wussten, dass Belian recht gern Stimmen um sich hatte und sich davon nicht gestört fühlte.
Die Fürsorge solcher Leute und die Aufmerksamkeit eines seinetwegen selbst verzichtenden ausländischen Offiziers, der nicht einmal von Terra kam, waren rührend. Der Siebzehnjährige war dafür von Herzen dankbar, aber in manchen Momenten musste er daran denken, dass auch sie von der womöglich gerade jetzt in diesem Moment stattfindenden Ermordung Gefangener aus Sirius und Alpha Centauri wussten und sie guthießen. Das verdrängte er immer schnellstmöglich, aber natürlich blieb dieses Urteil irgendwo in Belians Hinterkopf. Sie waren Militärangehörige, er hingegen Zivilist.
Nachdem er sich entlaust wieder auf sein frisches Bett hatte legen können, verabschiedeten sie sich. Dabei hob der Crewman die Hand an die Stirn, was Belian sofort auf Französisch protestieren ließ. Er war weder Terraner noch ein Vorgesetzter dieses Mannes. Das war ausgekochter Blödsinn! Der Unteroffizier sprach einen scharfen Tadel aus, wofür Belian ihm dankbar war.
Erst später fiel ihm auf, dass in der Maßregelung des Vorgesetzten wahrscheinlich kein Missfallen zum Ausdruck gekommen war, sondern nur Sorge, weil der Patient sich aufgeregt hatte. Der ‚Held von Nouvelle Espérance’, wie Stephen Garther ihn betitelt hatte. Anscheinend glaubten etliche Männer diesen Quatsch und bewunderten den jüngsten Geretteten dafür, dass er als Sohn des Duc d’Auvergne Umgang mit sechs gegen seinen Willen aufs Familiengut gekommenen gefangenen Föderationsoffizieren gehabt hatte sowie obendrein auf der Raumstation vor seiner Exekution durchgedreht und zum Mörder geworden war. Die Denkweise der ausländischen Navyangehörigen war ihm grundfremd und erschien ihm frevelhaft.
Stephen Garthers Auftauchen verstärkte diesen Eindruck nur noch, denn der eine sehr unbequem aussehende Sonderuniform nebst diversen auf der Brust angebrachten und an Alpha Centauris Putz erinnernden bunten Verzierungen tragende Commander schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er Belian sah. Dann verfluchte der Mann die beiden zuvorkommenden Besatzungsmitglieder der Berlin. Beinahe warf er sogar seine feine braune Mütze in die Ecke!
Als Belian keineswegs erbaut nach dem Grund fragte, eröffnete ihm der erst seit kurzer Zeit beförderte Schiffskommandant der terranischen Korvette Island das Vorhandensein eines geänderten schwarzen Anzuges, der heute Morgen hergeschickt worden war. Man hatte sträflich unterlassen, daran zu denken und ihn damit einzukleiden.
Auf die misstrauische Erkundigung nach dem Grund kam die leise Antwort, dass in einer knappen Stunde die Trauerfeier für Jeffrey Abraham und die restlichen vom Alliierten Sternenreich ermordeten Überlebenden von Grenne auf dem terranischen Flaggschiff stattfinden würde.
Die einfach automatisch in ihn gesetzte Erwartung, dass er dem feierlichen Akt beiwohnen würde, ließ Belian protestieren. Der heute noch geschniegeltere Commander sah ihn sehr pikiert und beinahe schon sauer an, als der Jugendliche sich dermaßen sträubte.
„Sie schulden es ihm, Monsieur. Er stand Ihnen nahe und hat händeringend versucht, Sie doch noch irgendwie zu retten, bevor man ihn umbrachte!“
Da der Terraner um jeden Preis neuerlichem Streit zwischen ihnen ausweichen wollte, lenkte er ab und holte einen Streifen mit drei Tabletten heraus.
„Falls Ihnen Ihre Raumkrankheit Sorgen macht, man gewöhnt sich daran. Zumindest tun es die meisten Leute. Sie werden zwar nach Ihrer absehbaren Rückkehr auf Ihren Heimatplaneten nie mehr in die Verlegenheit kommen, auf kleinen
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