Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
saisonalen Angebot avancierte bald zu meinem Favoriten. Leicht, frisch und gesund – da konnte ich es mir sogar noch erlauben, vorher einen Teller Suppe zu essen, selbstverständlich hausgemacht und aus Gemüse, das ich je nach Laune zusammenmischte.
Ich begann mit Gewürzen und Beilagen zu experimentieren, variierte hier und dort und fand bald heraus, was mir wirklich schmeckte und guttat. Nicht alles gelang auf Anhieb. Ich musste erst ein Gefühl für Mischungsverhältnisse und Garzeiten entwickeln, und wenn einmal wirklich etwas danebenging und mir nichts anderes übrig blieb, als es in der Biotonne zu entsorgen, tröstete ich mich damit, dass ja nichts verloren war und aus meinem völlig verkochten Gemüse irgendwann feinste, fruchtbare Komposterde werden und aus dieser wieder neues Grün sprießen würde.
Einmal habe ich ein schönes Stück Rindfleisch, das ich mittels Niedrigtemperaturgarens in eine saftige Köstlichkeit verwandeln wollte, einfach zu Tode gebraten. Ich hatte zwar den richtigen Modus gewählt, die Temperatur aber nicht gedrosselt, was meinem High-Tech-Herd leider nicht auffiel, der sofort auf 220 °C hochfuhr. Mein Beiried vom Bio-Weiderind schmorte unter Extrembedingungen, während ich mich ganz gelassen der Gartenarbeit widmete. Als ich drei Stunden später wieder ins Haus kam, war der Schaden nicht mehr zu beheben und von meinem schönen Stück Fleisch nur noch ein verkohlter Brocken übrig.
So zahlte ich anfangs Lehrgeld, aber das Kochen machte mir bereits viel Freude. Dennoch spielte der Zeitfaktor eine gewisse Rolle. Die Zubereitung der Mahlzeiten sollte schließlich nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, ich hatte ja auch noch anderes zu tun.
Jede Art von Pfannengerichten, schnell Gebratenes und knackig Gedünstetes, waren die absoluten Renner, wenn die Zeit einmal drängte, aber auch Suppen und Schmorgerichte erwiesen sich als bei weitem nicht so aufwändig, wie man hätte vermuten können, und wurden nach relativ kurzer Vorbereitungszeit im Topf oder im Backrohr fast ganz von selbst gar und ich konnte die Wartezeit für anderes nützen.
Und während ich glücklich durch den Vorfrühling walkte, meinem hundertsten Tag als Nichtraucherin entgegen, überlegte ich mir meine nächste kulinarische Kreation und freute mich schon auf Zuhause, wo allerlei appetitliche Zutaten auf ihre Verarbeitung zu einem exquisiten Diät-Menü warteten – so raffiniert komponiert, dass die Bezeichnung Diät eigentlich völlig unangebracht war.
Turbo für die Seele
Vielleicht war es Zufall, vielleicht eine Art kulinarischer Berufung, die mich exakt zu jenen Mitteln greifen ließ, die sich nicht nur als wahre Wunderwaffen gegen den Barockengel, sondern auch als ausgesprochene Streicheleinheiten fürs Gemüt erwiesen, ein unerwarteter Nebeneffekt meiner Kost, quasi Turbo für die Seele.
Im Reigen meiner Lieblingsgerichte hatten immer schon allerlei Meeresgetier, jedwedes Federvieh und das eine oder andere saftige Steak eine tragende Rolle gespielt, nebst allerlei knackigem Grün und Milchprodukten – und natürlich Nüssen, ohne die es ja keine Vanillekipferln gäbe. Ich dachte auch, ich wüsste längst Bescheid über das, was ich da so aß, und staunte daher nicht schlecht, als ich las, dass ausgerechnet meinen bevorzugten Lebensmitteln wundersame Wirkung zugeschrieben wurde. Sie sollten nicht nur schlank, sondern auch glücklich machen und so – quasi als essbarer Seelenschutz – Depressionen vorbeugen. Sogar mein Lieblingsrotwein ließ sich, in Maßen, in das beglückende Programm integrieren. Ernährungswissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von „Mood Food“, Essen für die gute Laune, und das funktioniert ungefähr so:
Um den Botenstoff Serotonin herzustellen, der für unsere Glücksgefühle verantwortlich ist, benötigt unser Körper einen Eiweißbaustein, das Tryptophan. Dieses wird aus der Nahrung aufgenommen. Eier, Fleisch und Fisch, Getreide, Milchprodukte, Hülsenfrüchte, Steinpilze, Sonnenblumenkerne und Nüsse sind ausgezeichnete Tryptophan-Lieferanten, ihr Genuss fördert die Produktion von Serotonin – und das macht uns glücklich.
Jetzt verstand ich auch – und es ist wohl kein Klischee –, warum rund um das Mittelmeer so viele lebensfrohe Menschen siedeln, die gerne lachen und gerne essen, und zwar jede Menge Fisch, Obst und Gemüse und Salat mit viel gesundem Öl von Millionen von Olivenbäumen, das Ganze mit einem kräftigen Schluck Rotwein gekrönt, unter einer
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