Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
den Griff bekam. Schließlich wog ich jetzt – schätzungsweise – mindestens zehn, zwölf Kilos mehr, wahrscheinlich sogar noch mehr, so genau wusste ich das nicht und auf die Waage wagte ich mich ohnehin nicht.
Die erste Diagnose, die ich an diesem Tag erhielt, war, dass ich, was die Ernährung betrifft, ein Eiweiß-Typ bin, weil ich den Großteil meiner Energie aus Eiweiß wie Fleisch, Fisch, Geflügel und Milchprodukten beziehe. Daneben gibt es noch den Kohlenhydrat-Typ, der sich hauptsächlich von Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis und Süßspeisen ernährt, sowie den Alles-Esser, einen Misch-Typ, der oft sehr ausgewogen isst.
Ein Eiweiß-Typ also.
Gar nicht so schlecht für den Anfang, meinte mein Arzt. Reichlich Eiweiß sorge nämlich dafür, dass wir tatsächlich Fett und nicht Muskelmasse verlieren. Allerdings käme es trotz allem auf die Menge und selbstverständlich den Fettgehalt der Speisen an. Pflanzliches Eiweiß aus Hülsenfrüchten könnte hier ergänzend wirken und den Fleischkonsum in gewissen Schranken halten. Patentrezept hatte er natürlich keines, gute Ratschläge allemal.
Wer abnehmen will, muss weniger Kalorien zu sich nehmen, als er verbraucht, so simpel ist die Sache. Das gelingt am besten, wenn man Fett und Zucker reduziert, wo immer es geht. Also mageres Fleisch, weniger Butter, weniger Öl bei der Zubereitung und weniger Süßes.
Weniger, weniger … Das klingt nach Entbehrung.
Gibt es da nichts anderes?
Doch! Mehr Gemüse und mehr Obst, am besten fünf Mal am Tag.
Na bitte! Mein Lieferant vom Bauernmarkt wird sich freuen.
Ich bekam an diesem Tag aber noch eine weitere Diagnose, die mich erst erheiterte, dann jedoch nachdenklich stimmte: Ich war ein Apfel-Typ.
Wie bitte?
Der Apfel-Typ setzt Körperfett vor allem um die Leibesmitte an, so dass er von den Rundungen her an einen Apfel erinnert, während der Birnen-Typ selbiges von den Hüften abwärts speichert und so eher einer Birne gleicht.
Aha.
Allerdings ist das Bauchfett, auch schon in geringer Menge, für den Körper wesentlich problematischer als jenes auf Schenkeln und Po, denn es legt sich um die inneren Organe und birgt ein beträchtliches Risiko für Folgeerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen etc. Ziemlich hinterhältig, dieser Barockengel, fand ich. Aber das ließ sich ja ändern.
Frischer Wind im Kochtopf
Während ich mit immer flotteren Schritten dem Barockengel zu Leibe rückte, wurde die Luft allmählich wieder milder und ein Hauch von Frühling wehte mir um die Nase. Ich befand mich zurzeit in einer ausgesprochenen Hochstimmung. Mit jedem Tag, der mich weiter von meiner Sucht entfernte, stieg das Vertrauen in die eigene Kraft und die Zuversicht, die Sache erfolgreich zu Ende bringen zu können. Außerdem hatte der ganz frühe Frühling für mich immer schon etwas von Neubeginn. Die erfreuliche Aussicht auf junges Grün beflügelte mich ungemein.
So nahm ich, die allgemeine Aufbruchsstimmung der Natur nützend, das nächste Kapitel meiner wundersamen Verwandlung in Angriff. Nun galt es, ganz im Sinne von Slow Food und gemäß dem Rat meines Arztes, neuen Schwung in meinen Speiseplan zu bringen und dem Barockengel endgültig den Garaus zu machen.
Inzwischen hatte ich mehrere Diät-Ratgeber durchgearbeitet, ziemlich wahllos, wie ich zugeben muss, was eben so in den virtuellen und echten Buchläden als Erfolgskonzept angepriesen wurde, aber meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Es gab offenbar eine solche Fülle an Publikationen, gewissermaßen einen Diäten-Dschungel mit zum Teil mehr als abenteuerlichen Pfaden, dass ich bald aufgab und mich auf den Rat meines Arztes besann.
„Fett weg durch Fett weg!“, lautete also die Devise. Das Fett an den Rippen sollte durch Fettarmut im Kochtopf bezwungen werden.
Ich lenkte meine Ermittlungen verstärkt in diese Richtung und entdeckte bald eine erfreuliche Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten von leichtem Eiweiß aus Fisch, Huhn etc. mit knackig-frischem Grün vom Marktstand. All diese Köstlichkeiten würde wohl auch Herr Petrini nicht von seinem Teller weisen, sie waren noch dazu überall zu haben und leicht zuzubereiten, so dass einem fröhlichen Abspecken nichts mehr im Wege stand. Ich musste ja nicht unbedingt den Speck vom Mangalitza Schwein essen, schließlich gab es da auch diesen wunderbar zarten, saftigen Schinken …
Eine in wenig Butter in der Pfanne gebratene Hühnerbrust mit einer großen Portion Salat aus dem
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