Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
meinem Garten gibt es auch Grünflächen mit vielen Gänseblümchen, Blühhecken, in denen die Vögel nisten und die die Schmetterlinge anziehen, Blumenbeete nach englischem Vorbild und viele Rosenstöcke, darunter auch ganz alte, die wohl noch meine Großmutter gepflanzt hat. Sobald es die Temperaturen erlauben, übersiedle ich in meinen Garten und kehre erst wieder ins Haus zurück, wenn die ersten Fröste drohen. Für viele Monate wird er zu meinem eigentlichen Wohnzimmer.
Da gibt es den Platz an der Sonne, den Platz zum Schreiben, den kühlen Platz für heiße Tage, den Essplatz und dazwischen überall Topfpflanzen, locker arrangiert wie aus einem Katalog für Gartenreisen nach Cornwall – und natürlich gibt es jetzt auch einen Gemüse-und einen Kräutergarten.
Schmetterlingsparadiese und andere Wunderwelten
Mein Bemühen, als Bio-Bäuerin zu reüssieren, führte mich zu all jenen Informationsquellen, die, wie sich bald herausstellte, unweit meines Zuhauses nur so sprudelten. Ich war offenbar regelrecht umzingelt von begnadeten Laien und Profis und deren renommierten Schaugärten, so dass ich mich jederzeit in einer dieser natürlich ausschließlich durch biologische Bewirtschaftung zustande gekommenen Wunderwelten umsehen und inspirieren lassen konnte. Sogar mein Wortschatz erfuhr eine Erweiterung, wusste ich doch jetzt mit Begriffen wie „Kräuterspirale“ oder „Nützlingshotel“ etwas anzufangen.
Ob Obst-oder Gemüse-, Stein-, Natur-, Bauern-und Kräutergärten, historische, englische, japanische oder Klostergärten, alle Formen waren in meiner Gegend vertreten und mir wurde gastfreundlich Einblick gewährt. Es gab sogar Nasch-und Erlebnisgärten, Wassergärten mit Kneipppfad, Gärten der Sinne, Gärten als Räume für Kunst, Gärten für das eher milde Klima der Stadt ebenso wie für raue höhere Lagen und sogar einen Dornröschengarten und einen entzückenden Schmetterlingsgarten. Manche präsentierten sich klassisch, groß und geradlinig, andere klein, verspielt und voller Überraschungen hinter jeder Wegbiegung.
Nachdem ich all diese Pracht ausführlich genossen und reichlich Ideen für meine private Gartenwelt gesammelt hatte, wollte ich mich schon munter ans Werk machen, doch wie mir eine ausgesprochene Kennerin der Materie, meine neue Freundin aus dem Slow Food Convivium, glaubhaft versicherte, fehlte noch ein Kleinod in meiner Sammlung, das Kleinod schlechthin, denn ich war noch nicht im Mekka aller Bio-und Slow Food Bewegten gewesen, in der Arche Noah in Schiltern. Der Name sei Programm, meinte sie, und das biblische Vorbild durchaus kein Zufall.
Nun denn: Auf nach Schiltern!
Drängelei in der Arche Noah
In einer lieblichen Weingegend vor den Toren der Wachau, in einem schönen Barockgarten vor einem ebensolchen Schloss fand ich dann tatsächlich alles, was man getrost die Auferstehung des Garten Edens nennen durfte.
1990 hat hier eine Gruppe besorgter Gärtnerinnen und Gärtner, Bäuerinnen und Bauern, die nicht länger zusehen wollten, wie eine Sorte alter Kulturpflanzen nach der anderen verlorenging, den Verein „Arche Noah“ gegründet, der sich seither unermüdlich für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzt. Der übermächtige Feind ist längst bekannt: Industrialisierte Landwirtschaft, Saatgutmonopole, gentechnisch veränderte Pflanzen, der Klimawandel und mancherorts auch Kriege setzen dem kostbaren Erbe sehr zu.
Ökologisch, kulinarisch, ethisch und lustvoll – die Freunde der Arche Noah leben einen schöpferischen Umgang mit der Natur und Freude an der Vielfalt vor und sehen Gartenbau und Landwirtschaft als kulturelle Leistung, Einkaufen als bewussten Akt der Steuerung zum Schutz der Ökosysteme und Kochen als eine Art Liebeserklärung an die verwendeten Lebensmittel. Ganz genau so sah ich die Sache mittlerweile auch und folgte interessiert den Worten einer Führerin, die gerade erklärte, dass die derzeit rund 200 verfügbaren Erdäpfelsorten Jahr für Jahr neu angebaut werden müssen, damit sie erhalten blieben. Nur ein Jahr Pause – und schon wieder wäre eine Sorte verschwunden. Ziemlich kapriziös, die tolle Knolle.
Die Arche Noah kultiviert heute in Schiltern und im Rahmen einer Vielzahl anderer privater Projekte hunderte verschiedener Pflanzensorten und hütet eines der größten privaten Saatgutarchive Europas. Von Urformen des Getreides über heimische Gemüsesorten, Kräuter und Zierpflanzen bis hin zu alten Obstsorten, hier kann man wiederentdecken, was man im
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