Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
beruhigend oder mit aphrodisierender Wirkung, vegetarisch oder fleischlichen Ursprungs, in der Farbe der Liebe, der Hoffnung, der Unschuld oder in Zwischentönen, knallrot (Paradeiser), tiefgrün (Spinat, Bärlauch, Erbsen), milchig-weiß (Spargel, Sellerie), hellrosa (Hummer, Garnelen), schrillpink (Rote Rüben), sonnengelb (Kürbis) oder bunt wie eine Sommerwiese (von allem etwas) …
Wir finden sie in jeder Küche, auf jedem Kontinent, für jeden Geschmack. Nahezu alles Essbare gibt es auch als Suppe. Lange Zeit war sie mit dem hartnäckigen Vorurteil behaftet, ihr ausgiebiger Genuss würde sich alsbald in nicht erwünschten Rundungen niederschlagen. Daher wurde Suppe von figurbewussten Menschen lange prinzipiell gemieden. Nun scheint es eher so zu sein, dass sie sich neuerdings entschärft, von unnützem Fett befreit und mit einem modernen Image ausgestattet, in der gesunden, leichten Küche behaupten kann – sehr zur Freude ihrer zahlreichen Fans, die sie früher aus reinen Vernunftgründen verschmähten.
Endspurt
Der Herbst war längst ins Land gezogen, der Winter nicht mehr fern. Gerade eben hatte ich in meinem Erfolgsprotokoll neben dem 5. November die vorletzte Eintragung vorgenommen. 360. Tag ohne Rauch, stand da zu lesen, und 2376 Euro gespart!
Ich war schon auf der Zielgeraden. Eine Woche, nur noch eine Woche trennte mich vom wahrscheinlich größten Erfolg meines Lebens.
Gerührt und ganz in Gedanken blätterte ich in dem nun schon ein wenig abgegriffenen Terminplaner, den ich vor knapp einem Jahr kurz entschlossen in mein persönliches Erfolgsprotokoll umfunktioniert hatte. Dabei fiel mir auf, dass mir bei der Berechnung meiner rauchfreien Zeit ein Fehler unterlaufen war. In meiner euphorischen Entschlossenheit, mich vom Nikotin zu verabschieden, hatte ich meinen letzten Tag als Raucherin bereits als ersten des neuen Lebens gezählt, so dass das Jahr plötzlich 367 Tage hatte. Nun hatten wir zwar ein Schaltjahr und für mich persönlich war es ein besonders bedeutendes, aber so lange konnte selbst dieses nicht dauern. Man möge mir den kleinen arithmetischen Schnitzer verzeihen.
Eine Woche … nur noch eine Woche! Es war kaum zu fassen.
Und obwohl ich die ganze Zeit über nichts anderes im Sinn gehabt hatte als eben dieses Ziel zu erreichen, war ich nun doch überrascht, erstaunt, verwundert, fast ungläubig. Es war alles so schnell gegangen. Eins hatte sich ins andere gefügt und die Sache eine unvorhersehbare Eigendynamik entwickelt. Sehr bald schon ging es nicht nur darum, nach drei Jahrzehnten Dauerliebe das Rauchen doch noch zu lassen oder in der Folge dem Barockengel die Stirn zu bieten – es ging in Wirklichkeit um viel mehr.
Es ging um ein neues Bewusstsein für Ernährung, um Wachsamkeit und Sensibilität für die Herkunft der Mittel unseres täglichen Lebens, um die Abkehr von folgenschweren Essensgewohnheiten, um eine Trendwende hin zu Nachhaltigkeit im Konsum, um die Wiederentdeckung der Jahreszeiten und ein Leben im Einklang mit der Natur. Und vor allem ging es um die Rückkehr zu echtem Genuss und um ein rundum befriedigendes, lustvolles Lebenskonzept.
Restlos überzeugt
Petrinis Forderung nach einer neuen Gastronomie, einem radikalen Umdenken in Ernährungsfragen und sein Bemühen um die Erhaltung der regionalen Küche mit heimischen pflanzlichen und tierischen Produkten, die in nächster Nähe und unter fairen, sauberen Bedingungen entstehen, ist mit Sicherheit eine Antwort auf den globalen Trend zur uniformen Lebensmittelproduktion, in immer größeren Einheiten, zu immer niedrigeren Preisen, unter immer fragwürdigeren Bedingungen und dem daraus folgenden Transportwahnsinn über alle Weltmeere und Kontinente, auf Kosten der Umwelt und der Lebensqualität – bis hin zum immer öfter ratlosen Endverbraucher, dem die weitgereiste Ware nicht so recht schmecken will.
Naturnahe Produkte mit authentischem Charakter, auf traditionelle Weise von Lebensmittelhandwerkern hergestellt, schaffen nicht nur regionale Wirtschaftskreisläufe und stärken die Menschen vor Ort, sie bringen auch den Genuss auf unsere Teller zurück, Lust und Freude am Unverfälschten.
Den Kreislauf der vernichtenden Beschleunigung brechen, das Tempo drosseln, den Radius einschränken, nicht dem Takt der Maschine gehorchen, sondern selbst deren Takt bestimmen, innehalten, schauen, berühren, riechen, schmecken, nachhaltig entschleunigt einkaufen, essen, leben – das alles mag wie ein Rückschritt aussehen,
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