Die neue Lustschule
Satisfaktion der Eroberung unsicher würde: weil man dann geschenkt bekäme, worum man doch so hart ringen muss. Das «Geschenk» kann nicht wirklich angenommen werden, es ist nichts mehr wert, weil man es ja selbst nicht wert ist. Nur die Mühen machen den Erfolg wertvoll, der sich dann jedoch ebenso schnell wieder verflüchtigt und lediglich durch neue Anstrengungen wieder aufbauen lässt. Nebenbei gesagt, ist dies auch das tragische Schicksal des Leistungssportlers, der größte Anstrengungen aufbieten muss, um die Chance auf Sieg zu haben, und nach der Siegesfeier schon wieder den Konkurrenten fürchtet.
Der leistungsorientierte Erfolg führt nicht wirklich zur Entspannung, sondern zur Angst vor dem Verlust der narzisstischen Anerkennung. Guter beziehungsgetragener Sex dagegen ermöglicht befriedigende Entspannung, bis das nächste Bedürfnis ansteht. Lustentspannung bedarf keiner ewigen Steigerung, sondern nur der Wiederholung im Zyklus individueller natürlicher Bedürftigkeit.
Bei erlittenem «Muttermangel» ist Sex natürlich eine großartige Kompensationsmöglichkeit, allerdings immer mit der Gefahr behaftet, sich süchtig zu erschöpfen und promiskuitivin ein Sozialverhalten abzurutschen, bei dem der Sexualpartner nur noch als austauschbares Objekt benutzt wird. Wer sich darauf unwissend einlässt, kann schwer enttäuscht werden, er fühlt sich dann seelisch verletzt und erfährt sich am Ende als sexuell missbraucht. Aus dem Don-Juan-Syndrom findet nur heraus, wer seine Begrenzung durchlitten und akzeptiert hat.
Diese Problematik ist nicht an das männliche Geschlecht gebunden. Auch viele Frauen bieten sich sexuell an, mit dem Ziel narzisstischer Bestätigung angesichts des Gefühls, begehrt zu sein. Dabei besteht immer die Gefahr nymphomanischer Unersättlichkeit. Selbst der Entscheidung zur Prostitution dürfte oftmals ein narzisstisches Defizit («Muttermangel») zugrunde liegen, das sich auch durch das männliche Begehren der Freier nicht wirklich decken lässt. Das narzisstische «Loch» kann weder durch den Phallus noch durch viel Geld gestopft werden. Prostitution lässt sich also auch als ein Ersatz für frühe Defizite verstehen; sie gehört nicht an den Pranger, sondern hat als Notlösung ihre Berechtigung. Will man die Sexualität jedoch von ihrer Ersatz- und Kompensationsfunktion befreien, muss man den eigentlichen narzisstischen Mangel verstehen und im Grunde dafür sorgen, dass bereits Kinder gesunde narzisstische Sättigung in einem ausreichenden Umfang erleben können.
Das Dornröschen-Syndrom
(Ich muss erweckt werden)
Für eine sexuelle Partnerschaft bedeutet die Erwartung des Partners, vom anderen oder durch die Beziehung «erweckt» zu werden, eine schwere Bürde. Die Tatsache, dass man keinem Partner den Orgasmus machen, sondern ihm nur hilfreichdabei assistieren kann, sich gut loszulassen, macht ein Dornröschen-Verhalten zur Lustbremse. Durch ihre frühe Entfremdung («Muttervergiftung») sind viele jedoch darauf geeicht, Erwartungen zu erfüllen, um dadurch Anerkennung und Zuneigung zu ergattern. So kann es gerade für Männer zu einer erschöpfenden Verpflichtung werden, Frauen zu «beglücken». Sein Pendant hat dieses Verhalten im narzisstisch begründeten Größen-Selbst, etwa wenn der Mann glaubt, durch anstrengende Leistungen und Techniken oder gar durch die Größe seines Penis bei den Frauen besonderes Ansehen erwerben zu können. «Dornröschen» und «Macho» passen im tragischen Irrtum zu glauben, man könne befreit und erlöst werden bzw. die Freiheit bringen und Erlösung bewirken, gut zusammen.
Der frühen Mangelerfahrung entspricht häufig der spätere Wunsch, doch noch befriedigt oder für das Erlittene wenigstens entschädigt zu werden. Das ist mit dem Risiko verbunden, die eigenen Möglichkeiten zu verleugnen, Ressourcen abzuwerten und notwendige Anstrengungen abzulehnen. Mit passivem Abwarten, depressivem Erpressungsdruck oder klagsamen Vorwürfen vergeudet man dann die eigenen Lebenschancen. Auf diese Weise schafft man es, schlummernde Schuldgefühle zu wecken, Helfer zu aktivieren und unechte Zuwendung zu bekommen, kultiviert also die verhängnisvollen Folgen erlittenen Liebesmangels, um den Preis, das Opfer früher Verhältnisse zu bleiben, statt seine eigenen Möglichkeiten zu finden und zu lernen, trotz allem gut für sich selbst sorgen zu können.
Auf sexuelle Verhältnisse übertragen, wird das «Dornröschen-Syndrom» zur Lustfalle. Die
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