Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)
gesellschaftlichen Zusammenlebens überhaupt. Hier wird davon ausgegangen, dass das Wesen dieser Verteilungsordnung mit ihren Distributionsprinzipien, -prozessen und -resultaten durch die drei Hauptdimensionen jeder Gesellschaft, durch Wirtschaft, Herrschaft und Kultur, bestimmt wird. Ursachen und Strukturen, Konsequenzen und Deutungen der Sozialen Ungleichheit lassen sich daher unter diesen drei systematischen Gesichtspunkten erschließen.
Man hat im Anschluss an Weber argumentiert, Macht und Herrschaft als irreduzible Faktoren, daher als die in letzter Instanz entscheidenden Determinanten der Privilegienordnung hinzustellen, so dass Soziale Ungleichheit zur sekundären Konsequenz von Herrschaftsstrukturen wird. Die prinzipielle Dichotomie von Gesellschaften besteht danach zwischen Herrschenden und Beherrschten, da Besitz von Macht strukturelle Vorteile, Ausschluss von Macht in aller Regel strukturelle Nachteile mit sich bringt. Obwohl forschungspraktische Probleme, wie die Machtunterschiede konkret gemessen oder wenigstens plausibel geordnet werden können, unleugbar auftauchen, bleiben dennoch die Vorzüge, wenn an Macht und Herrschaft als dem in der Tat maßgeblichen der drei Grundelemente Sozialer Ungleichheit entschieden festgehalten wird, unübersehbar bestehen.
Ein wesentlicher Gewinn, heuristisch vielleicht sogar einer der Hauptvorzüge, besteht darin, dass bei der Untersuchung des Verhältnisses von Großverbänden zueinander die Aufmerksamkeit von vornherein – wenn man Webers Vorschlag folgt – auf zwei Phänomene gelenkt wird: Sowohl auf den Kampf um die «Aufrechterhaltung oder Veränderung einer Herrschaftsstruktur und ihrer Legitimationsbasis» als auch auf die eine Herrschaftsordnung jeweils charakterisierende Appropriation von Herrschaftsmitteln und -rechten, die ihre Rechtfertigung durch typische Geltungsprinzipien erfahren. Vor allem im Konfliktfall kann sich die Dominanz politischer Herrschaft erweisen: Vermögen und Prestige, Privilegien insgesamt, hängen vom zumindest stillschweigenden Konsens der öffentlichen Herrschaftsträger, aber auch von der Unterstützung durch herrschaftlich-rechtliche Legitimationsprinzipien ab. Die Herrschaftsperspektive bleibt auch, ja gerade dann besonders wichtig, wenn sich die Analyse zuerst auf ökonomische Aspekte von Klassenlagen konzentriert, da diese immer auch auf Herrschaftsverhältnissen, z.B. in Gestalt von «Property Rights», beruhen.
Webers allgemeines Klassenkonzept versteht als «Klassen» diejenigen «Gruppen von Menschen, deren ökonomische Lage vom Standpunkt bestimmter Interessen gleichartig ist». Als «Klassenlage» werden die «primär durch typische ökonomisch relevante Lagen bedingten Versorgungs- und Erwerbschancen» sowie die «daraus folgenden allgemeinen, typischen Lebensbedingungen» begriffen. Das zentrale, konstituierende Element dieser Klassenlage ist der «Besitz oder Nichtbesitz von Sachgütern». Denn «es ist die allerelementarste ökonomische Tatsache, dass die Art, wie die Verfügung über sachlichen Besitz verteilt ist, schon für sich allein spezifische Lebenschancen schafft». In diesem Sinn kann Weber «positiv» oder «negativ privilegierte Besitzklassen» unterscheiden.
Einen Sonderfall bilden diejenigen Klassen, die «primär marktbedingt» sind, seien es die «Besitzklassen» oder die quantitativ völlig überwiegenden «Erwerbsklassen». In diesen «marktbedingten Klassen» sah Weber das historisch folgenreichste Ergebnis der Funktionsmechanismen kapitalistischer Arbeits- und Gütermärkte. Das Charakteristikum der neuzeitlichen «klassengegliederten» Marktgesellschaft besteht darin, dass sich moderne Klassen aufgrund typischer Gemeinsamkeiten der Besitz- und Leistungsverwertung auf Märkten bildeten, insofern ist die «Klassenlage letztlich Marktlage». Je nach verfügbarem Besitz und je nach Leistungsqualifikation zerfallen die Besitz- oder die Erwerbsklassen in eine Vielzahl von unterschiedlich erfolgreichen Besitzklassen bzw. unterschiedlich entlohnten Erwerbsklassen.
Weber war sich bewusst, dass er auf der einen Seite mit dem Pluralismus verschiedener Besitz- und Erwerbsklassen notwendige Differenzierungsmöglichkeiten für eine realitätsangemessene Sozialforschung gewann, auf der andern Seite aber auch einer Kategorie für relativ einheitliche gesellschaftliche Verbände bedurfte. Sie fand er im Sammelbegriff der «sozialen Klasse». In ihm wird die «Gesamtheit» von benachbarten Klassenlagen
Weitere Kostenlose Bücher