Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)
zusammengebündelt, zwischen denen «ein Wechsel persönlich» und «in der Generationenfolge», also intra- und intergenerationelle Mobilität, «leicht möglich ist und typisch stattzufinden pflegt». «Soziale Klassen» in diesem Sinn bildeten beispielsweise im Deutschen Reich die «Arbeiterschaft als Ganzes», das «Kleinbürgertum», die «Intelligenz und Fachgeschultheit» (einschließlich der Beamten und Angestellten) sowie die «Klassen der Besitzenden und durch Bildung Privilegierten».
Im Hinblick auf Konflikte zwischen Klassen, erst recht auf ihren Ausgang, sind allgemeine Aussagen oder Prognosen nicht möglich. Es handelt sich stets um historisch kontingente Verhältnisse mit wechselnden Bedingungskonstellationen. Zu ihnen gehört etwa «die Durchsichtigkeit des Zusammenhangs zwischen den Gründen und den Folgen» der Klassenlage, ihre «Bedingtheit und Wirkung» müssen «deutlich erkennbar sein». Erst wenn der «Kontrast der Lebenschancen» durch den Vergleich mit anderen Klassen als Ergebnis der «gegebenen Besitzverteilung oder Struktur der konkreten Wirtschaftsordnung» bewusst abgelehnt wird, kann der Konflikt zwischen Klassen politisch organisiert werden. Fraglos stecken in den Weberschen Schlüsselbegriffen der Verfügungsgewalt und des Besitzrechtes Herrschaftskategorien, wie überhaupt jede Besitzordnung Herrschaftsverhältnisse widerspiegelt und in ihrem Kern durch ungleiche Machtpotentiale geprägt wird. In diesem Sinn wird hier das Ordnungsgefüge der Sozialen Ungleichheit in der Bundesrepublik analysiert und beschrieben.
2.
Die internationale Debatte über die neue Einkommensungleichheit
Simon Kuznets, ein Nobelpreisträger in der Wirtschaftswissenschaft, hat in umfassenden Untersuchungen, die auch in der berühmten Kuznets-Kurve graphisch eingefangen wurden, den Nachweis geliefert, dass in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg die Soziale Ungleichheit in Gestalt der Einkommens- und Vermögensverteilung in den hochentwickelten westlichen Ländern deutlich abgenommen hat, nachdem sie vorher eine lange Zeit ziemlich krasse Formen angenommen hatte. Verantwortlich machte er dafür nicht nur die beispiellose Wohlstandsexplosion, die in Deutschland als «Wirtschaftswunder» charakterisiert wurde, sondern auch die erfolgreiche sozialstaatliche Interventionspolitik. Im Grunde ging Kuznets von der optimistischen Grundannahme aus, dass sich dieser Abmilderungstrend weiter fortsetzen könne.
Diese Prognose hat sich aber alsbald als Irrtum erwiesen. Denn unterschiedliche Faktoren, insbesondere die neoliberale Wirtschaftspolitik von Präsident Reagan und Premierministerin Thatcher samt ihren Beraterstäben haben eine neuartige Verschärfung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in den Nationalstaaten und zwischen ihnen herbeigeführt. Nach einem sachten Anfang hat sich eine massive Polarisierung seit den 80er Jahren durchgesetzt, die paradigmatisch von den USA und Großbritannien angeführt wurde. Seither ist dieser Veränderungsprozess von einer lebhaften Debatte der Ökonomen über das Ausmaß und die Ursachen der wachsenden Ungleichheit begleitet worden. Die erdrückende Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler, die an dieser Diskussion teilnehmen, gehört der hegemonialen neoklassischen Schule an. Nur wenige Soziologen, Politikwissenschaftler und Historiker haben sich bisher in sie eingeschaltet, obwohl es sich um einen der dramatischsten Vorgänge der modernen Zeitgeschichte handelt.
Diese Diskussion geht von einem Konsens über die Realität der Ungleichheitsveränderungen aus, ehe sie dann vor allem drei Gesichtspunkte betont[ 8 ].
1. Auf dem Arbeitsmarkt habe sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Hinblick auf hochqualifiziertes Humankapital mit zuverlässigen Computerkenntnissen drastisch verändert. Der Karriere dieser privilegierten Fachleute stehe der Abstieg von ungelernten und provisorisch angelernten Arbeitskräften gegenüber. Allgemeiner formuliert: Auf dem Markt setzte sich ein technologischer Wandel durch, dessen Grundlage die Aufwertung von Wissen als dem entscheidenden Produktionsfaktor bildete.
2. Dieser Wandlungsprozess gehe einher mit der scharf anwachsenden Konkurrenz von Billiglohnländern, die das heimische Lohnniveau unterbieten, mithin die Lohnkosten indirekt absenken konnten. Deshalb gehe die Einkommensungleichheit auch auf den Abfall der Reallöhne zurück. Dieser Druck lenkt auf die Globalisierung zurück, die seit den 80er, erst recht
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