Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
gehorchte widerwillig. Allerdings stand sie betont langsam auf, reckte provozierend die Hände über den Kopf, damit ihre Brüste zur Geltung kamen, und bückte sich schließlich nach ihrem Rock. Dabei wandte sie ihm ihr Hinterteil zu und ließ sich mehr Zeit als nötig. Zu ihrer Enttäuschung reagierte er jedoch nicht. Also schlüpfte sie in den Rock und blickte sich dann nach dem Mieder und dem Oberteil um. Beide lagen zerrissen neben der Tür. Sie hob die Reste auf und betrachtete sie mit gerunzelter Stirn.
»Nimm mein Hemd«, sagte Tris hinter ihr. Er schüttelte es aus und hielt es ihr hin, dass sie nur mehr hineinschlüpfen musste. Sie rollte die Ärmel ein Stück nach oben und lächelte ihn an. Er stand vor ihr und begann die Knöpfe zu schließen. Seine Blicke glitten zu ihrem Gesicht. Er beugte sich vor, sie neigte sich ihm entgegen, und auf halbem Weg trafen sich ihre Lippen. Die Leidenschaft flammte wieder auf und Marie schlang die Arme um seinen Hals.
»Welchen Bann hast du nur über mich geworfen? Wir waren die ganze Nacht zugange, und ich habe noch immer nicht genug«, murmelte er an ihrem Mund.
»Mir geht es nicht anders«, entgegnete Marie und strich über die festen Muskeln seines Rückens. »Wenn jemand einen Zauber gewirkt hat, dann wohl für uns beide.« Sie schmiegte den Kopf an seine Schulter. »Lass uns hier bleiben. Eine Stunde oder zwei, mehr nicht.«
»Nein, wir gehen zurück zum Haus«, wiederholte er uneinsichtig und ging zur Tür.
Die Sonne strahlte von einem wolkenlos blauen Himmel. Es war warm, ohne die schwüle Hitze der letzten Wochen. Der Duft nach feuchter Erde, Rosmarin und Lavendel lag in der Luft. Marie schob ihre Hand in die von Tris und fühlte voller Freude, wie er seine Finger mit ihren verschränkte. Die Farben um sie herum leuchteten heller, und der Gesang der Vögel war ihr noch nie süßer erschienen. Fröhlich winkte sie den Arbeitern zu, die bereits wieder bei der Lese waren.
Marie genoss die Schönheit des Morgens, das Zusammensein mit dem Mann, den sie liebte. Sein Schweigen störte sie nicht, denn sie hing ihren eigenen Gedanken nach. Erst als La Mimosa in Sicht kam und Tris ihre Hand losließ, stellte sich eine vage Ahnung ein, dass diese Nacht vielleicht nicht vor dem hellen Licht des Tages bestehen könnte.
Troy lief ihnen entgegen. »Schön, dass ihr hier seid. Nach dem Mittagessen hätte ich mich mit einigen Männern auf die Suche gemacht. Euch ist nichts passiert?«
»Nein, wir haben einen Unterstand gefunden«, antwortete Tris. »Hat es wegen des Unwetters noch Probleme gegeben?«
»Nein, die Arbeiter sind alle wohlbehalten eingetroffen, ebenso dein Pferd.«
»Gut. Ich gehe mich umziehen. Wir sehen uns später.« Er ging mit langen Schritten zum Haus. Marie lief ihm nach.
»Warte, Tris, warte auf mich.«
Er blieb nicht stehen, und eine kalte Hand presste Maries Herz zusammen. Sie folgte ihm in sein Zimmer und schloss geräuschvoll die Tür hinter sich.
»Tris, was ist mit dir geschehen?«, fragte sie atemlos. »Hast du vor, mich wieder zu ignorieren? Nach allem, was in der letzten Nacht passiert ist?«
Er öffnete eine Truhe und nahm ein frisches Hemd heraus. »Marie, ich habe dich nicht ignoriert, und die letzte Nacht war in der Tat sehr ... reizvoll.«
»Reizvoll?«, wiederholte Marie ungläubig. »Tris, ich liebe dich. Diese Nacht war eine Offenbarung. Das musst du gespürt haben. Ich weiß, dass du es gespürt hast. Ich weiß, dass du mich liebst.«
Er schloss die letzten Knöpfe an seinem Hemd. »Marie«, begann er langsam, »die letzte Nacht war das Ergebnis lang aufgestauter körperlicher Bedürfnisse. Ein fantastisches, leidenschaftliches Erlebnis, ohne Zweifel. Aber das hat nichts mit Liebe zu tun.«
Wenn er sie geschlagen hätte, könnte ihr Schmerz nicht größer sein. »Du lügst«, stammelte sie und fühlte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. »Ich liebe dich. Und in der letzten Nacht hast du mich auch geliebt.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich begehre dich, Marie. Ich begehre dich, wie ich noch keine Frau zuvor begehrt habe. Doch Liebe ...«
Marie blickte ihn unverwandt an. »Aber ich liebe dich, siehst du das wenigstens?«
Das Schweigen baute sich zwischen ihnen auf wie eine unsichtbare Wand. Marie begann zu zittern. »Tris, antworte mir.«
Er seufzte. »Lass es gut sein, Marie.«
»Antworte mir.«
Er warf zornig den Kopf in den Nacken. Als er sie wieder ansah, war sein Blick hart wie Glas. »Du liebst mich also. Wie
Weitere Kostenlose Bücher