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Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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ihm Kontakt zu haben?
    Resigniert ergab er sich seinem Schicksal und folgte dem Gott, der ihn mit seinem zweiten Gesicht immer im Blick hatte, in einen neuerlichen Schacht nach unten. Er war wesentlich kürzer als der erste, und so erreichten sie schnell ihr Ziel, einen weiteren Raum.
    Aker blieb im Eingang stehen und zerrte Seshmosis an seine Seite, sodass dieser in den Raum sehen konnte. Und er erblickte ein Wunder.
    Der ganze Raum war unwirklich mit glitzerndem Wasser bedeckt, in der Mitte befand sich eine rechteckige Insel, deren Ecken von vier mächtigen Säulen geschmückt wurden. Zwischen den Säulen, im Zentrum des Raums, stand ein großer, deckelloser Sarkophag. Und in ihm lag eine Gestalt.
    Seshmosis schnürte es die Kehle zu.
    »Der große Pharao?«, fragte er leise.
    »Nein, viel größer«, antwortete die hohle Stimme Akers. »Osiris selbst ist es, der hier liegt.«
    Osiris also, dachte Seshmosis, der den Seth getötet, seine Leiche in vierzehn Teile zerstückelt und über ganz Ägypten verstreut hatte. Nur mit der Hilfe weiterer Götter war es Isis gelungen, die Teile wiederzufinden und zusammenzusetzen. Allerdings blieb ein Teil für immer verschollen: der Penis des großen Gottes. Den hatte angeblich ein Fisch gefressen. Eine üble Sache für einen Fruchtbarkeitsgott, wenn ihm sein wichtigstes Werkzeug abhanden kommt.
    Seshmosis überlegte, wie die Sache weitergegangen war. Immerhin hatte er seinen Lebensunterhalt mit dem Abschreiben und Vervielfältigen solcher Geschichten verdient.
    Er erinnerte sich: Isis fertigte ein künstliches Glied, irgendwo stand etwas von einem Kuhhorn, und zeugte dann mit Osiris den Gott Horus. Osiris galt seit dieser Zeit als ziemlich depressiv und lief fortan nur noch in Mumienbinden umher, wenn er denn überhaupt einmal lief.
    Seshmosis dämmerte es. Die Mumie dort war gar keine richtige Mumie, die reglose Gestalt war gar nicht tot. Wenn sie es wollte, konnte sie aufstehen und tun, was auch immer sie wollte. Immerhin lag vor ihm einer der allergrößten Götter von Ober- und Unterägypten. Seshmosis schauderte. Der Fluchtreflex in ihm schrie, und zu gern wäre er ihm gefolgt. Aber er konnte nicht. Irgendetwas, höchstwahrscheinlich Aker, bannte ihn an diesen Ort.
    Seshmosis wagte nicht, zu dem doppelten Löwenkopf an seiner Seite zu blicken. Und selbst wenn er es gewagt hätte, seine Augen ließen sich nicht von der Gestalt im Sarkophag lösen, die nun noch zu allem Überfluss sich zu bewegen begann.
    »GON steh mir bei!«, seufzte sein Inneres, nicht bedenkend, dass die Anrufung eines kleinen, mickrigen und vor allem fremden Gottes in Anwesenheit des mächtigen Osiris taktisch vielleicht etwas unklug war.
    In diesem Moment begann sich die Mumie aufzurichten. Seshmosis erwartete, ein Ächzen zu hören. Seiner Meinung nach müsste eine Mumie, die sich aus einem Sarkophag erhob, ächzen. Sie tat es aber nicht. Erstaunlich leichtfüßig schwang sich die Gestalt aus dem Sarg und stellte sich daneben.
    »Hier ist er, wie befohlen, Herr«, sagte die hohle Stimme Akers neben Seshmosis.
    »Danke, guter Aker. Lass uns nun allein und geh zu seinen Gefährten!«, befahl Osiris mit einer kräftigen Stimme, die so gar nicht zu seinem angegriffenen Äußeren passen wollte.
    Obwohl Seshmosis immer noch körperlich gelähmt war, arbeitete sein Verstand auf Hochtouren. Der Gott ihm gegenüber gab sich morbid und sah aus wie ein lebender Toter, aber seine Bewegungen und seine Stimme passten nicht zu diesem Bild. Der Schreiber erinnerte sich an GON und seine Vorliebe, in verschiedenen Gestalten zu erscheinen. Es war wohl eine göttliche Charaktereigenschaft, den Menschen etwas vorzugaukeln.
    »Richtig, kleiner Mensch!«
    Seshmosis zuckte zusammen. Natürlich, Osiris konnte seine Gedanken lesen.
    »Nicht lesen, Seshmosis. Lesen habe ich nie gelernt. Dafür ist Toth zuständig. Aber ich kann deine Gedanken hören.«
    Automatisch wollte Seshmosis den Mund bewegen, um zu antworten, aber nichts tat sich. Also dachte er: O großer Osiris, was wünscht du von mir kleinem, unbedeutendem Menschlein?
    »Er ist bescheiden, wie schön. Nun, seit gewissen Vorfällen in der Vergangenheit habe ich mich aus dem Tagesgeschehen zurückgezogen und diese Angelegenheiten meinem Sohn Horus überlassen. Ein sehr begabter Junge, übrigens. Aber es gibt Dinge, die lassen selbst mich meine Meditationen in diesem wunderschönen Raum unterbrechen und in den Lauf der Geschehnisse eingreifen.« Er machte mit dem

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