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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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Zuhörer gaben Entsetzensschreie von sich, und Homeros rief:
    »Wie bei Polyphem, dem Kyklopen! Ihr zieht die Gefahren an wie kein Zweiter, edler Fürst. Doch sicher habt Ihr auch diese Ungeheuer in ihre Schranken verwiesen.«
    Seshmosis warf Homeros ob dieser unterwürfigen Lobhudelei einen verächtlichen Blick zu. Dem Schreiber schwante, dass Odysseus wieder einmal seine Version der Wahrheit erzählte, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hatte. Dennoch hörte er der Erzählung weiter gespannt zu.
    »Meine beiden anderen Männer stürmten in wilder Flucht zu den Schiffen. In der ganzen Stadt brüllten die Laistrygonen, dieses verfluchte Volk, und sie kamen aus ihren Häusern und Verstecken und warfen Felsbrocken auf unsere Schiffe. Viele meiner tapferen Männer wurden davon zermalmt oder versanken im stillen Wasser der Bucht, und ich sage euch, dies war noch ein gnädiges Los. Denn wen von meinen Kriegern die Unholde erwischten, den durchbohrten sie wie Fische und fädelten sie Leib an Leib auf eine Hanfschnur und schleppten sie zum Königspalast. Mir blieb nur noch, mein Schwert zu zücken und das Tau zu kappen, das uns am Kai festhielt. Mit aller Kraft ruderten wir aus dem Hafen und erreichten schließlich das freie Meer. Doch elf Schiffe und über siebenhundert Mann fielen den Menschen fressenden Giganten zum Opfer.«
    Grauen und Schaudern ergriff die Zuhörer, und sie bedauerten Odysseus, dem all das Schreckliche widerfahren war. Seshmosis dagegen dachte sich: Der Lügenfürst hat sich wieder einmal selbst übertroffen. Höchstwahrscheinlich wollten sie die Stadt der Laistrygonen plündern, gerieten dabei an die Falschen und erlitten eine fürchterliche Niederlage.
    Sein Mitleid hielt sich daher in Grenzen. Aber Homeros würde sicher begeistert sein, welch weiteren grandiosen Stoff ihm Odysseus für sein neues Epos lieferte.
    Als sich die Blicke des Fürsten und des Schreibers zufällig trafen, glaubte Seshmosis eine unausgesprochene Drohung in den Augen von Odysseus zu erkennen. Wortlos stand der Tajarim auf und ging an Bord der Gublas Stolz.
     
    *
     
    Zwei Dienerinnen von Kirke kamen aus dem Wald zum Strand und fragten nach dem Fürsten Odysseus.
    Die Zauberin wusste wirklich über alles Bescheid, was auf ihrer Insel vor sich ging. Seshmosis war sich sicher, dass sie den Namen und die Lebensgeschichte jedes Einzelnen kannte, egal ob Tajarim, Phönizier oder Achäer. Er empfand eine ungeheuere Hochachtung gegenüber dieser Frau, aber auch Angst.
    Die beiden Dienerinnen trugen kurze, türkisfarbene Tuniken und Sandalen, die bis unters Knie geschnürt waren. Man führte sie zu Odysseus.
    »Edler Odysseus, Sohn des Laertes, Fürst von Ithaka, unsere Herrin Kirke lädt Euch zu einem Festmahl. Sie würde sich freuen, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte eine der Frauen, und mit einem Seitenblick auf die achäischen Krieger, die sie begehrlich betrachteten, fügte sie hinzu »Und nur Eure Bekanntschaft. Bitte begebt Euch kurz vor Sonnenuntergang zum Palast.«
    Dann verschwanden sie ebenso feengleich, wie sie gekommen waren.
    Sechs der Achäer verständigten sich stumm mit Blicken und Handzeichen und folgten heimlich den Frauen. Nachdem sie ihnen eine Zeit lang durch das Dickicht hinterhergeschlichen waren, stürmten sie auf einmal los.
    Mit den Worten: »Halt, ihr Schönen! Wollt ihr nicht ein paar starke Krieger kennen lernen?« versperrte einer der Achäer den beiden den Weg, während seine Kameraden die Frauen von hinten ergriffen.
    »Solche Männer wie uns gibt es auf eurer Insel bestimmt nicht. Wir sind die Sieger von Troja!«
    Erstaunlicherweise zeigten die beiden Dienerinnen keine Reaktion, auch nicht, als ihnen die Achäer die Kleider vom Leib rissen. Gerade wollte sich der erste Krieger auf die Entblößten werfen, als hinter ihm ein fürchterliches Brüllen grollte. Erschrocken blickten sich die Männer um. Ein riesiger Löwe mit gewaltiger Mähne stand auf einmal da und fletschte seine Zähne. Als er fauchend auf die Achäer zukam, ließen diese die Frauen los. Doch die machten keine Anstalten zu fliehen. Ganz ruhig sammelten sie ihre zerfetzten Kleider ein und stellten sich wartend neben einen Baum. Wieder brüllte der Löwe, und die Achäer versuchten sich langsam rückwärts zu entfernen. Doch eine Stimme ließ sie erstarren.
    »Viel hörte ich schon, wie des Odysseus' Männer die Gastfreundschaft schätzen. Viel hörte ich, wie sie Freundlichkeit mit Gewalt und Blut vergelten. Ihr verdient es

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