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Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)

Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)

Titel: Die Nonne mit dem Schwert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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letzten chuños und schob sie Stefano Bissen für Bissen in den Mund. Zum Alleinessen fehlte ihm die Kraft, und auch so nickte er über dem Kauen immer wieder ein.
    Später zog Catalina ihre Steinschleuder aus der Jackentasche und machte sich auf, um sich nach geeigneter Beute umzusehen. Sie ging ein Stück des Weges zurück und entdeckte einen Wulst im Schnee. In der Hoffnung, ein verendetes Tier darunter zu finden, schob sie den Schnee mit den Händen beiseite. Tatsächlich kam etwas Haariges zum Vorschein, doch im Weitergraben entpuppten sich die Haare als Menschenhaare … Es war ein Mann, nicht viel älter als Stefano. Er war erfroren. Catalina rannte zurück zum schlafenden Stefano, drückte sich an seine Brust und weinte.

    Catalina starrte auf das erbarmungslose Weiß um sie herum und hatte die größte Lust, ihren Kopf wieder auf Stefanos Brust sinken zu lassen und mit ihm zu erfrieren, doch dann kam ihr der Tote wieder in den Sinn. Vielleicht hatte er ja noch etwas zu essen gehabt? Catalina zwang ihr Grauen vor dem Toten nieder und ging zu ihm zurück, um ihn zu durchsuchen. Tatsächlich fand sie einen großen Kanten Brot und ein Stück Fleisch. Sie rannte zu Stefano zurück.
    »Stefano, Stefano, sieh doch!« Sie rüttelte ihn an der Schulter. »Komm, wach auf. Ich habe etwas zu essen.«
    Doch Stefano rührte sich nicht.
    Catalina fühlte seine glühende Stirn, überlegte, ob es ihm eher helfen oder schaden würde, wenn sie seine Stiefel auszog und seine Unterschenkel für eine Weile in den Schnee legen würde. Als er auch in der nächsten halben Stunde sein Bewusststein nicht wiedererlangte und seine Stirn noch heißer geworden war, erkannte sie, dass sie nicht mehr viel zu verlieren hatte, und zog ihm die Stiefel aus …
    Stefanos Temperatur sank nicht viel, aber doch so weit, dass er zu sich kam und sich beschwerte, dass ihm kalt sei, jämmerlich kalt. Catalina reichte ihm das Brot, doch Stefano wollte nichts essen. Catalina zog ihm die Stiefel wieder an und schob ihr Lama an ihn heran, so dass er nun von beiden Seiten von den Tieren gewärmt wurde.
    »Aber jetzt isst du auch etwas!«, verlangte sie.
    Stefano schüttelte den Kopf. »Das ist ja doch vergebens.«
    »Stefano, bitte!«
    Er schloss die Augen und schüttelte noch einmal den Kopf.
    Catalina sah sich um. Dieses Weiß, nichts als dieses gottverdammte Weiß! Sie bekam es mit der Angst zu tun.
    »Stefano, bitte!« Sie packte seinen Arm. »Du … du kannst mich nicht allein lassen. Du kannst mich doch hier nicht allein lassen!«
    Stefano nahm ihre Hand und drückte sie. Catalina hatte das Gefühl, er wolle sich entschuldigen. Kurz darauf fiel sein Kopf zur Seite und er hörte auf zu atmen.

17
    U nunterbrochen weinend häufte Catalina Steine auf Stefano, damit er vor räuberischen Tieren geschützt war, bildete aus zwei Stöcken ein Kreuz und steckte es obenauf. Die Nacht über blieb sie noch bei ihm und fand Trost in seiner Nähe. Am nächsten Morgen zog sie weiter, die beiden Lasttiere im Schlepptau.
    Gegen Mittag drang die Sonne durch die Wolken, der Schneefall ließ endlich nach, und nach einer neuen Steigung hatte Catalina den Gipfel überwunden. Je weiter sie hinabstieg, desto weniger hoch lag der Schnee. Am späten Nachmittag des nächsten Tages ließ sie die Schneegrenze endgültig hinter sich zurück, und kurz darauf huschte ein Bergviscacha direkt vor ihr aus seinem Bau. Catalina zog ihre Schleuder aus der Tasche und zielte auf den Nager. Als sie das kaninchengroße Tier über dem Lagerfeuer briet, musste sie wieder weinen. Nur achtundvierzig Stunden hätte Stefano noch durchhalten, nur diese paar Meilen noch hinter sich bringen müssen, und alles hätte gut werden können …
    Die Hochgebirgssteppe von Potosí erreichte Catalina erst drei Wochen später. Von dem Gipfel des letzten Berges blickte sie auf den berühmten Cerro Rico mit seinen immer schwelenden Schmelzöfen und die größte Ansammlung von Häusern, die sie je gesehen hatte. Hundertfünfzigtausend Einwohner hatte Potosí, das hatte Stefano ihr erzählt, und war damit nach London die zweitgrößte Stadt der Welt. Catalina musste daran denken, wie viel es Stefano bedeutet hatte, hierher zu kommen. Sie setzte sich auf einen Felsvorsprung, blickte hinunter auf diese Wunderstadt und hatte gleichzeitig Lust zu lachen und zu weinen.

    Die Stadt erschien Catalina wie ein gigantischer Ameisenhaufen. Überall huschten und wuselten Menschen, und während sie und Stefano sich

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